Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald

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Wir haben dich alle geliebt. Jede hättest du haben können, du hättest nur fragen müssen –«
    »Zwischen dir und mir war immer etwas Besonderes.«
    Sie biss sofort an. »Wirklich, Dick?«
    »Immer – ich kannte deine Probleme und wusste, wie tapfer du sie bewältigt hast.« Aber das alte innere Lachen hatte schon wieder bei ihm begonnen, und er wusste nicht, wie lange er sich noch würde zurückhalten können.
    »Ich hatte immer das Gefühl, dass du Bescheid wusstest«, sagte Mary begeistert. »Dass du mehr über mich wusstest als jeder andere je wusste. Deshalb hatte ich vielleicht auch so viel Angst vor dir, als wir uns gestritten haben.«
    Sein Blick fiel sanft und freundlich auf ihren und schien ein tiefes Gefühl anzudeuten; ihre Blicke vereinigten sich, legten sich zueinander, dehnten sich. Aber dann wurde das Lachen in seinem Inneren so laut, dass er glaubte, sie müsse es hören; er drehte das Licht ab, und sie saßen wieder in der Rivierasonne.
    »Ich muss los«, sagte er. Als er aufstand, schien er ein bisschen zu schwanken; er fühlte sich nicht mehr so gut – langsam raste sein Blut durch die Adern. Er hob die rechte Hand und segnete den Strand von der oberen Terrasse mit einem päpstlichen Kreuz. Unter den Sonnenschirmen drehten Gesichter sich zu ihm hoch.

    »Ich gehe zu ihm«, sagte Nicole und erhob sich auf die Knie.
    »Nein, das wirst du nicht tun«, sagte Tommy und zog sie mit fester Hand wieder herunter. »Lass es so, wie es ist.«

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    Nicole blieb auch nach der Hochzeit mit Dick in Verbindung; es gab ein paar praktische Fragen, auch wegen der Kinder. Oft sagte sie: »Ich habe Dick geliebt, und ich werde ihn nie vergessen.« Und Tommy sagte dann immer: »Natürlich nicht – warum solltest du auch?«
    Dick eröffnete eine Praxis in Buffalo, aber offenbar ohne Erfolg. Nicole fand nie heraus, worin das Problem bestand, aber sie hörte ein paar Monate später, dass er als Allgemeinmediziner in einer kleinen Stadt namens Batavia im Staat New York praktiziere. Später hieß es, dass er in Lockport sei. Durch Zufall erfuhr sie diesmal etwas mehr über seine Lebensumstände: Es hieß, er fahre viel Fahrrad, sei sehr beliebt bei den Damen, habe immer einen großen Stapel Papier auf dem Schreibtisch und jeder wisse, dass es sich dabei um eine wichtige Abhandlung über ein medizinisches Thema handle, die kurz vor dem Abschluss stand. Man war der Ansicht, dass er sehr gute Manieren habe, und er hatte bei einer öffentlichen Versammlung eine schöne Rede zum Thema Drogen gehalten; aber er sei dann in eine Affäre mit einem Ladenmädchen verwickelt gewesen und es habe auch einen Prozess um irgendeine medizinische Sache gegeben, deshalb habe er Lockport verlassen.
    Danach fragte er nicht mehr, ob die Kinder nach Amerika kommen könnten, und gab keine Antwort, als Nicole fragte, ob er Geld brauche. Im letzten Brief, den sie von ihm erhalten hatte, hatte er mitgeteilt, dass er in Geneva, New York, praktiziere, und sie hatte den Eindruck, dass er mit jemandem zusammenlebte, der ihm den Haushalt führte. |476| Sie suchte Geneva in einem Atlas und stellte fest, dass es ein kleines Städtchen im Gebiet der Fünf-Finger-Seen war und als angenehmer Wohnort galt. Vielleicht, dachte sie, brauchte seine Karriere ja Zeit, vielleicht war es bei ihm genauso wie bei General Grant in Galena. Seine letzte Nachricht war in Hornell abgestempelt, das ziemlich weit weg von Geneva liegt und ein sehr kleiner Ort ist. Auf jeden Fall war er irgendwo in diesem Teil des Landes, in dieser Stadt oder jener.

|477| Anhang

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Zeittafel
    1896
    24. September: Francis Scott Fitzgerald wird als Sohn des irisch-katholischen Möbelhändlers und Handlungsreisenden Edward Fitzgerald und seiner Frau Mary (»Mollie«), geb. McQuillan, in St Paul, Minnesota, geboren.

    1908 – 1911
    Schulzeit in der St Paul Academy.

    1911 – 1913
    Fitzgerald verfasst seine ersten Theaterstücke.

    1912
    Bekanntschaft mit dem einundzwanzig Jahre älteren Geistlichen Cyril Sigourney Webster Fay (1875 – 1919).

    1913
    September: Beginn des Studiums an der Princeton University, das aus dem Erbe der Großmutter mütterlicherseits finanziert wird.

    1914
    Fitzgerald tritt dem Triangle Club bei, der im Dezember das Musical ›Fie! Fie! Fi-Fi!‹ aufführt. Seine erste Liebe, Ginevra King, weist ihn wegen seiner Mittellosigkeit zurück.

    1917
    Aufgabe des Studiums und Eintritt ins Militär. Am 26.