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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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»Ich habe dich so-o-o geliebt.«
    Er hätte jetzt lachen sollen, aber stattdessen hörte er, wie er sagte: »Du bist nicht nur schön, du machst auch alles im großen Stil. Mal tust du, als wärst du verliebt, mal tust du, als wärst du schüchtern, aber beides ist sehr überzeugend.«
    In der dunklen Höhle des Taxis kam sie ihm wieder näher, umweht von einem Hauch des Parfüms, dass sie mit Nicole gekauft hatte. Sie klammerte sich an ihn, und er |101| küsste sie, ohne es zu genießen. Er wusste, dass es um Leidenschaft ging, aber in ihren Augen oder auf ihrem Mund war kein Hauch davon zu entdecken, nur eine leichte Champagnergischt schwebte in ihrem Atem. Verzweifelt umklammerte sie ihn, und noch einmal küsste er sie. Aber die Unschuld ihrer Küsse und der Blick, mit dem sie im Augenblick der Berührung an ihm vorbei in die Dunkelheit der Welt und der Nacht hinaussah, ließen ihn frösteln. Sie wusste noch nicht, dass der Glanz und die Herrlichkeit eine Sache des Herzens sind. Erst wenn sie es merkte und mit der Leidenschaft des Universums eins geworden war, würde er sie nehmen können, ohne Frage und ohne Bedauern.
    Ihr Zimmer lag schräg gegenüber von seinem und näher am Aufzug. Als sie die Tür erreichten, sagte sie plötzlich: »Ich weiß, dass du mich nicht liebst   – ich erwarte das auch nicht. Aber du hast gesagt, ich hätte euch sagen sollen, dass ich Geburtstag gehabt habe. Nun, ich hab’s euch gesagt, und jetzt will ich, dass du als Geburtstagsgeschenk eine Minute zu mir ins Zimmer kommst, damit ich dir etwas sagen kann. Nur eine Minute.«
    Sie gingen hinein, er machte die Tür zu, und Rosemary stellte sich zu ihm, ohne ihn zu berühren. Die Nacht hatte die Farbe aus ihrem Gesicht gesogen   – sie war jetzt blasser als blass, wie eine weiße Nelke, die nach dem Ball liegen geblieben ist.
    »Wenn du lächelst   –« Er hatte jetzt, vielleicht wegen Nicoles stummer Nähe, die väterliche Einstellung wiedergewonnen, »dann glaube ich immer die Lücke zu sehen, wo du einen Milchzahn verloren hast.«
    Aber der Scherz kam zu spät   – sie schob sich mit einem verzweifelten Wispern näher an ihn heran.
    »Nimm mich.«
    |102| »Wie denn?« Das Erstaunen ließ ihn erstarren.
    »Los«, flüsterte sie. »Bitte mach weiter, mach mit mir, was ein Mann tut. Es ist mir egal, wenn es mir nicht gefällt   – das habe ich sowieso nie erwartet   – daran zu denken habe ich immer gehasst, aber jetzt nicht mehr. Ich möchte, dass du es mit mir machst.«
    Sie staunte über sich selbst   – sie hätte nie gedacht, dass sie so reden könnte. Sie bezog sich damit auf Dinge, die sie gelesen oder gesehen oder sich in einem Jahrzehnt in der Klosterschule erträumt hatte. Plötzlich wusste sie auch, dass dies eine ihrer größten Rollen sein würde und sie stürzte sich umso leidenschaftlicher hinein.
    »Das hier ist nicht so, wie es sein sollte«, murmelte Dick. »Ist es nicht womöglich nur der Champagner? Lass es uns einfach vergessen.«
    »Oh nein, ich will es. Ich will, dass du es jetzt tust. Nimm mich, zeig’s mir, ich gehöre dir absolut und ich will dir auch ganz gehören.«
    »Also erstens, hast du dir mal überlegt, wie sehr das Nicole wehtun würde?«
    »Sie wird es nie erfahren   – es wird gar nichts mit ihr zu tun haben.«
    Er fuhr ganz freundlich fort: »Außerdem ist es eine Tatsache, dass ich Nicole liebe.«
    »Aber du kannst doch mehr als eine Person lieben, nicht wahr? So wie ich Mutter liebe und dich. Und jetzt liebe ich dich sogar mehr.«
    »–   und viertens liebst du mich gar nicht, aber danach würdest du es womöglich tun, und dann würde dein Leben mit einem schrecklichen Chaos anfangen.«
    »Nein, ich werde dich nie wiedersehen, das verspreche |103| ich dir. Ich lasse Mutter kommen und fahre sofort nach Amerika.«
    Das wischte er weg. Zu lebhaft waren ihm die Jugend und Frische ihrer Lippen noch im Gedächtnis. Er schlug einen anderen Ton an. »Das ist doch nur eine Laune von dir.«
    »Ach, bitte, sogar wenn ich ein Kind kriegen würde, wär mir das egal. Ich würde nach Mexiko gehen, so wie ein Mädchen im Studio. Ach, es ist alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe   – ich hab es immer gehasst, wenn sie mich ernsthaft geküsst haben.« Er merkte, dass sie immer noch glaubte, es müsse geschehen. »Manche hatten so große Zähne, aber du bist ganz anders und wunderbar. Ich möchte, dass du es tust.«
    »Ich glaube, du denkst bloß, dass ich irgendwie anders

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