Zaertlich ist die Nacht
Geburtstagsparty. Achtzehn – das ist ein sehr wichtiges Alter.«
»Ich habe früher immer gedacht, dass überhaupt nichts zählt, bis man achtzehn ist«, sagte Mary.
»Das stimmt«, sagte Abe. »Und danach ist es genauso.«
»Abe denkt, bis er auf dem Schiff ist, sei alles egal«, sagte |98| Mary. »Diesmal hat er alles geplant in New York.« Ihre Worte klangen, als ob sie es müde sei, Dinge zu wiederholen, die längst ihre Bedeutung für sie verloren hatten, als ob der Weg, den sie und ihr Mann verfolgten, aber nicht einhielten, nur noch eine vage Idee sei.
»Er wird Musik in Amerika schreiben, und ich werde in München an meinem Gesang arbeiten, und wenn wir wieder zusammenkommen, sind wir unschlagbar.«
»Das ist ja wunderbar!«, sagte Rosemary, die den Champagner jetzt spürte.
»So, und jetzt noch einen Spritzer Champagner für Rosemary. Dann ist sie besser in der Lage, die Reaktionen ihrer Lymphdrüsen zu rechtfertigen. Die beginnen bekanntlich erst mit achtzehn zu arbeiten.«
Dick lachte geduldig über Abe, den er liebte, für den er aber längst alle Hoffnung verloren hatte: »Das trifft medizinisch gesehen nicht zu, und jetzt gehen wir.«
Abe entging die leichte Herablassung nicht. »Irgendetwas sagt mir, dass ich am Broadway den nächsten Hit habe, lange ehe du mit deiner wissenschaftlichen Abhandlung fertig bist.«
»Das hoffe ich«, sagte Dick gleichmütig. »Es kann durchaus sein, dass ich meine ›wissenschaftliche Abhandlung‹ ganz aufgebe.«
»Aber, Dick!«, protestierte Mary erschrocken. Rosemary hatte Dicks Gesicht noch nie so völlig ausdruckslos gesehen; sie spürte, dass seine Ankündigung ziemlich bedeutsam war, und hätte am liebsten genauso wie Mary gerufen: »Oh, Dick!«
Aber jetzt lachte Dick bereits wieder und fügte hinzu: »Dafür fang ich dann eine andere an.« Damit stand er vom Tisch auf.
|99| »Dick, setz dich noch mal hin. Ich will wissen –«
»Ich werde es euch bei Gelegenheit schon erzählen. Gute Nacht, Abe. Gute Nacht, Mary.«
»Gute Nacht, lieber Dick.« Mary lächelte, als wäre sie völlig zufrieden damit, auf dem fast gänzlich verlassenen Boot sitzen zu bleiben. Sie war eine tapfere Frau voller Hoffnungen und nahm die verschiedensten Rollen an, um ihrem Mann folgen zu können, war aber nicht in der Lage, ihn auch nur einen Zentimeter von seinem Weg abzubringen, und manchmal wurde ihr schmerzlich bewusst, wie tief das Ziel ihres eigenen Weges in ihm verborgen lag. Trotzdem umgab sie eine Aura des Glücks, so als wäre sie eine Art Talisman …
15
»Was ist das, was du aufgeben willst?«, fragte Rosemary ernst, als sie mit Dick im Taxi allein war.
»Nichts Wichtiges.«
»Bist du Wissenschaftler?«
»Ich bin Doktor der Medizin.«
»Oh-h!«, sie lächelte entzückt. »Mein Vater ist auch Arzt gewesen. Aber, warum –« Sie unterbrach sich.
»Es gibt kein Geheimnis. Ich habe mich nicht auf dem Höhepunkt meiner Karriere in Schande gebracht und an der Riviera versteckt. Ich praktiziere bloß nicht. Aber man weiß ja nie, vielleicht tue ich es ja irgendwann wieder.«
Rosemary hob ihm still ihr Gesicht entgegen, um sich küssen zu lassen. Er sah sie einen Augenblick an, als ob er sie nicht verstünde. Dann hielt er sie in seiner Armbeuge, |100| rieb seine Wange an ihrem weichen Gesicht und sah erneut lange auf sie herunter.
»So ein schönes Kind«, sagte er feierlich.
Lächelnd sah sie zu ihm auf, und ihre Hände spielten auf klassische Weise mit seinem Jackenaufschlag. »Ich bin verliebt in dich und Nicole. Eigentlich ist das mein Geheimnis – ich kann mit niemandem über euch reden, weil ich nicht will, dass noch andere Leute erfahren, dass ihr so wunderbar seid. Ehrlich – ich liebe dich und Nicole – ich liebe euch wirklich.«
So oft hatte er das schon gehört – sogar die Formel war immer die gleiche.
Plötzlich kam sie auf ihn zu; ihre Jugend verschwand, als sie im Brennpunkt seiner Augen versank, und er küsste sie atemlos, als wäre sie schon viel älter. Dann lehnte sie sich in seinen Arm und stieß einen Seufzer aus.
»Ich habe beschlossen, dich aufzugeben«, sagte sie.
Dick schrak zusammen – hatte er etwas gesagt, was den Eindruck erweckte, dass sie irgendeinen Teil von ihm besaß?
»Das ist aber gemein«, sagte er so leicht, wie er konnte, »gerade als ich angefangen habe, mich zu interessieren.«
»Ich habe dich so geliebt«, sagte sie, als wäre es schon vor Jahren gewesen. Sie weinte jetzt etwas.
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