Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
beide sich berührten, zog sich alles, was an Ruhe erinnerte, ins letzte Mauseloch zurück. Das galt für sie beide. Kiyoko fühlte exakt dasselbe wie er. Darauf würde er sein Leben verwetten. Aber offenbar hatte sie ihrem verehrten Mentor gegenüber ihre hitzigen, schwitzigen und aufwühlenden Empfindungen bisher nicht erwähnt.
Vielleicht sollte er das ja nachholen.
Sobald Murdoch den Meditationsraum betrat, wusste Kiyoko es. Nicht, weil er Lärm machte. Genau das Gegenteil war der Fall – die Stille im Raum wurde noch tiefer. Vielleicht hielt sein Körper den Luftzug ab, der durch die Tür kam, oder sein Gewicht auf dem Boden brachte das Ächzen des Gebäudes zum Schweigen. Was auch immer die Ursache war, die Stille nahm zu.
»Kommen Sie herein, Murdoch«, ermunterte sie ihn, ohne den Blick zu heben. »Ich hoffe, Sie tragen bequeme Kleidung. Ich dachte, dass wir nach dem Meditieren draußen eine Runde laufen könnten.«
Er durchquerte den Raum und nahm wortlos auf dem Kissen vor ihr Platz. Wie üblich steckten seine Beine in schwarzen Jeans, und als er sich hinkniete, spannte sich der Stoff über seinen Oberschenkeln. Kiyoko versuchte, es zu übersehen.
Aber die Träume, die sie die ganze Nacht über heimgesucht hatten, machten es ihr nicht leicht.
Er legte seine Hände aneinander und formte ein perfektes Oval mit den Daumen. »Ich hatte gerade ein kleines Gespräch mit Sora-san.«
Das sanfte Poltern seines Akzents sandte einen Schauer über ihre Haut. Das tiefe Rollen des »r« beschwor eine Flut lebhafter Erinnerungen herauf. In ihrem Traum hatte er gestöhnt, als sie ihn bei seinen langen Locken gepackt und den Mund geöffnet hatte, um ihn zu küssen. Tief und kehlig, ein Ausdruck vollkommener Befriedigung.
»Ach!«, gab sie atemloser zurück, als sie es klingen lassen wollte.
Kurze Pause. »Geht’s Ihnen gut?«
»Alles bestens.«
Ihr fehlte nichts, was eine friedliche Meditation und ein Waldlauf kurieren konnten. Sie ließ die Erinnerung los, kontrollierte ihre Atmung und suchte die Gelassenheit zu erlangen, sich mit der Welt um sie her zu verbinden.
»Er hat keine Ahnung von Ihrem rasenden Verlangen, oder?«
Sie riss die Augen auf und sah ihn an. Heftige Röte schoss in ihre Wangen, während sich Myriaden von Traumfetzen in ihrem Kopf losrissen. Die rauhen Schwielen seiner Hände auf ihrem Po, die hungrige Forderung seiner Lippen auf den ihren, die unerträgliche Spannung in ihrem Bauch. »Was?«
Er starrte sie an. Seine Stirn runzelte sich.
Sie leckte sich über die Lippen, die plötzlich trocken waren. Sein Blick fiel kurz darauf, bevor er zu ihren Augen zurückkehrte.
»Warum werden Sie rot?«
»Ich spreche für gewöhnlich nicht über
rasendes Verlangen
mit einem Mann, den ich kaum kenne«, erwiderte sie. Die Röte vertiefte sich bei dieser Lüge noch. Wenn er wüsste, wohin sie ihre Phantasie heute Morgen getrieben hatte …
Er beugte sich zu ihr hinüber. »Es ist mehr als das.«
Sie schlug die Augen nieder, um seinem innigen, intensiven Blick auszuweichen. »Ich hoffe, Sie haben nicht den Versuch unternommen, Sora-sensei darüber zu belehren.«
»Sie können mir nicht in die Augen schauen. Warum nicht?«
»Das habe ich doch schon erklärt. Wir sollten uns auf die Meditation konzentrieren. Hören Sie auf, mich anzustarren, Murdoch.«
Einen Moment lang dachte sie, es sei ihr gelungen, ihn abzulenken. Doch dann raunte er: »Ich weiß nichts von Ihnen, aber ich habe letzte Nacht nicht besonders gut geschlafen. Verrückte Träume. Ich war mitten in einem ganz abgefahrenen, als Yoshio mich geweckt hat.«
Kiyoko hielt unwillkürlich den Atem an.
Nein!
Bestimmt nicht.
»Dann wird dies eine gute Übung für Ihre Konzentration werden«, gab sie zurück, ohne dem Drang nachzugeben, ihn anzusehen. »Versuchen Sie, die schwere Nacht hinter sich zu lassen und Ihre Gedanken zur Ruhe zu bringen.«
»Habe ich gesagt, dass meine Nacht schwer war? Verzeihung. Nichts könnte der Wahrheit ferner sein. Die Träume waren sehr angenehm. So angenehm, dass ich es Yoshio übelgenommen habe, dass er mich geweckt hat.«
Kiyoko schluckte.
Dasselbe galt für sie. Sie fühlte sich noch immer betrogen. Der Traum war ihr so wunderbar realistisch erschienen, dass sie eine Träne vergossen hatte, als sie allein aufgewacht war. Aber nur eine. »Sie widmen dieser Übung nicht Ihre volle Aufmerksamkeit, Murdoch. Achten Sie auf Ihre Atmung.«
»Ich würde lieber auf Ihre achten.«
Diesmal gelang es ihr
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