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Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman

Titel: Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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nicht ich.«
    »Da liegen Sie falsch. Wir alle haben Licht und Schatten in uns, Murdoch, selbst Sie. Sie ziehen es nur vor, Ihre dunkle Seite wegzusperren, sie beiseitezuschieben, als wäre sie eine fremde, ungezähmte Kreatur, die in Ihnen gefangen ist. Aber in Wirklichkeit macht sie die Hälfte der Person aus, die Sie sind.«
    »Schwachsinn!« Mit geballten Fäusten machte er auf dem Kies einen Schritt auf sie zu und blieb dann stehen. »Ich war ein ganzer Mensch, bevor ich den Zaubertrank genommen habe. Ein schwacher, kränklicher Mensch mit den schlechten Augen einer Kuh vielleicht, aber ein ganzer. Nachdem ich den Zaubertrank genommen hatte, spürte ich den Berserker in mir, wie er sich schlangengleich wand und drohte, meine Ehre und meinen Stolz auszuspucken. Er. Ist. Nicht. Ich.«
    Kiyoko biss sich auf die Lippen. Seine Aura pulsierte nun, und Dunkelrot krümmte sich um das Blau wie die Schlange, die er eben beschrieben hatte. Erstickend. Sollte sie ihn noch weiter treiben? Oder auf Nummer sicher gehen und hier aufhören?
    »Und wo ist dieser schwache, kränkliche Mann jetzt, Murdoch?«, fragte sie leise.
    Die Muskeln seines Kiefers wurden hart, bis sie wie Knochen aussahen. »Tun Sie das nicht. Tun Sie nicht so, als ob der Mann, der ich war, fort wäre. Er ist der Einzige, der die Bestie in mir in Schach halten kann.«
    »Ich tue nicht so, als wäre er fort. Ich sage nur, dass Sie die beiden Wesen in sich nicht so einfach voneinander trennen können, wie Sie es gern glauben würden. Sie sind stark und gesund und sehen viel besser als jede Kuh – und all das haben Sie dieser
Bestie
in sich zu verdanken. Wie können Sie abstreiten, dass diese beiden miteinander vereinten Seiten nun ein besseres Ganzes bilden? Lassen Sie los! Nehmen Sie die beiden Seiten Ihrer Persönlichkeit an!«
    Der Abstand zwischen Murdoch und ihr schwand in einem einzigen Schritt. Er packte sie grob an den Schultern, schob sie zurück, bis sie an die Wand der Zeremonialhalle stieß, und grollte: »Wollen Sie wirklich, dass ich den Käfig öffne, Kiyoko? Die Bestie will nämlich heraus. Und sie will etwas haben, das Sie ihr nicht zu geben bereit sind.«
    Ihr Blick fand seinen, ängstlich, aber gefasst. »Es ist nicht der Berserker, der mich mit dieser erschreckenden Bedingungslosigkeit will. Sie sind es, Murdoch. Es gibt kein getrennt existierendes Wesen. Wenn Sie mich küssen wollen, dann küssen Sie mich.«
    Es war ein gewaltiges Risiko, ihn herauszufordern. Selbst wenn Murdoch endlich akzeptierte, dass der Berserker er selbst war, würde eine gigantische Portion Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung nötig sein, eine solch heftige Polarität im Gleichgewicht zu halten. Vielleicht war er dann nicht in der Lage, sich selbst zu stoppen. Dem Wechselspiel der Wut in seinem Gesicht nach zu urteilen, stand er bereits kurz davor, die Kontrolle zu verlieren.
    »Ehre und Mut und Intelligenz sind ebenso ein Teil von Ihnen wie die Kraft und Gesundheit des Berserkers«, fügte sie hinzu. »Sie haben die Wahl, wie Sie sich verhalten wollen. Es
ist
eine Wahl, Murdoch. Und sie liegt bei Ihnen.«
    Sein Blick bohrte sich in den ihren.
    Kiyoko starrte zurück, atemlos von der Hitze seines Körpers, die sie wie eine Hülle umgab, und der Wucht seiner Männlichkeit.
    Die Welt hielt den Atem an. Die Geräusche aus dem Dōjō traten in den Hintergrund, und in der erwartungsvollen Anspannung regte sich kein Lüftchen mehr. Das sengende Feuer seiner Hände drang durch ihre Jacke, während er sie immer noch gegen die Wand drückte. Einen langen Augenblick war sich Kiyoko nicht sicher, wie seine Wahl ausfallen würde.
    Aber sie wusste es in dem Sekundenbruchteil, in dem er sich entschied.
    Ihr Herz fühlte sich an, als wollte es ihr aus der Brust springen.
    Er würde sie küssen!
     
    Murdoch ignorierte die Stimme in seinem Kopf. Die, die ihn an seine lange und brutale Berserkergeschichte erinnerte, die, die darauf beharrte, dass sich die Geschichte stets wiederholte, und zwar dank dummer Entscheidungen wie jener, die er gerade traf.
    Er senkte die Lider.
    Er sah nur noch Kiyokos Mund. Ihre Lippen, im Moment ungeschminkt, waren leicht geöffnet. Als sie stoßweise den Atem entweichen ließ, erbebte ihre volle Unterlippe leicht. Es war keine Angst, dessen war er sich sicher. Sie hatte ihn absichtlich bis zu diesem Punkt gereizt, ihn aus gutem Grund an den Rand des Wahnsinns gedrängt.
    Sie wollte diesen Kuss genauso sehr, wie er ihn wollte.
    Und so ergab er

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