Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
begleitet war. Es klingelte in seinen Ohren. Sein Blut dröhnte. Und der Duft, der allein Kiyoko gehörte, erfüllte seine Nase. Es war wie im Himmel.
Eine Faust donnerte gegen die Tür. »Murdoch? Bist du da drin?«
Murdoch riss die Augen auf. Über ihm hing die getäfelte Holzdecke der Unterkunft. Neben ihm lagen die zerwühlten Laken seines Betts. Aber keine Kiyoko. Während er versuchte, sich nicht mit dem ausgeprägten Gefühl des Verlustes, das in seinem Unterleib wühlte, zu befassen, zog er schnell eines der Laken über sich und setzte sich auf.
Eben noch rechtzeitig. Schon öffnete sich die Tür, und Brian Webster trat in das Einzelzimmer.
»Kannst du nicht warten, bis ich dich auffordere hereinzukommen?« Murdoch strich sich das Haar aus den Augen.
»Du siehst aus wie ausgekotzt. Kurze Nacht?«
»Gibt’s einen Grund, warum du um diese unchristliche Uhrzeit hier auftauchst, Webster? Oder hat Lena dich etwa aus dem Bett gejagt?«
Der andere grinste breit, nicht im Mindesten verärgert über die Unterstellung, es könnte schlecht um sein Liebesleben stehen. Das war schlicht nicht der Fall. »Ich muss schon sagen, seit ich Kiyoko kenne, bin ich nicht mehr sonderlich verwundert, dass du so lange in Japan warst. Sie ist ein echter Hingucker. Wenn du einen Tipp brauchst, wie du zu Date Nummer drei kommst, frag mich einfach.«
Murdoch sah ihn finster an. »Nur um eins klarzustellen, Webster: Wir sind
keine
Freunde. Ich will und brauche deine Tipps nicht. Geh und nerv jemand anderen.«
»Hör auf, schlechte Laune zu verbreiten.« Webster durchquerte das Zimmer und riss die Vorhänge auf. Selbst in Jeans und T-Shirt sah der Mann aus, als wäre er einem verdammten Modemagazin entstiegen. »Rachel hat das Baby bekommen.«
Murdochs Ärger verpuffte augenblicklich. »Wirklich?«
Sein Chef nickte. »Ein Mädchen. Über vier Kilo. Mutter und Kind geht’s gut.«
»Gott sei Dank!«
»Das ist doch cool! Wir sind jetzt Onkel!«
Murdoch stand auf und wickelte sich das Laken um die Hüfte. »
Wir
sind gar nichts.
Du
bist eine Nervensäge, und ich bin fürs Frühstück schon spät dran. Würdest du jetzt bitte gehen?«
»Bin schon weg.« Doch der Kerl blieb. »Ich muss gestehen, ich dachte, dass du mit Kiyoko oben im Haus wohnen würdest, nicht hier unten in den Unterkünften. Was ist los? Schläft sie mit einem der beiden Kerle, mit denen sie gekommen ist?«
Murdoch schloss die Augen.
Er ist mein Chef. Ich werde ihn nicht umbringen.
Mit der größten ihm möglichen Selbstbeherrschung deutete er auf die Tür. »Raus!«
Die Tür schwang knarrend auf. »Komm nach dem Frühstück in die Arena, damit ich dir mehr Respekt vor deinen Vorgesetzten beibringen kann.«
Murdoch hob den Blick.
Duelle Mann gegen Mann weckten seinen schlummernden Berserker nur selten, und ohne seine übernatürliche Kraft waren er und Webster einander ebenbürtig. Webster war weniger gut ausgebildet, aber er besaß eine Begabung für den Schwertkampf, über die nur wenige Männer verfügten, und er war blitzschnell. Ein Duell mit ihm wäre eine hervorragende Gelegenheit, ein bisschen Dampf abzulassen.
»Ich freue mich schon darauf.«
Emily fuhr mit Lachlan heim, erschöpft, aber glücklich. Bale hatte in der Nacht ein Taxi zur Ranch zurück genommen, und ihre Mom war im Krankenhaus geblieben, um sich auszuruhen. Es war sehr still im Wagen. Sie betrachtete das Gesicht ihres Stiefvaters, während er das Auto über die kurvenreiche Straße durch die Hügel über San José lenkte.
»Bist du enttäuscht?«, fragte sie.
Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Weshalb?«
»Weil es ein Mädchen ist.«
Er lächelte. »Ganz und gar nicht. Katie ist gesund, das reicht mir. Und so wie sie aussieht, wird sie später mal eine richtige Schönheit – wie ihre Schwester.«
»Halbschwester.«
»Das ist doch verwandt genug«, erwiderte er und sah sie erneut an. »Ich dachte, du freust dich über das Baby.«
»Das tue ich auch.« Sie benahm sich nur dumm. Fühlte sich wie die zweite Wahl, aus keinem bestimmten Grund. »Du verdienst es, ein eigenes Kind zu haben.«
Er drückte einen Knopf am Armaturenbrett. Einen Moment später bog er in die Zufahrt zur Ranch ab und lenkte den Wagen durch das langsam sich öffnende Tor. Er winkte dem Wächter im Wachhäuschen zu. »Katie ist sozusagen eine Zugabe. Allein dein Stiefvater zu sein, macht mich schon glücklich. Ich freue mich über die Rolle, die ich in deinem Leben spielen darf.«
Emily
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