Zärtlich wie ein Krieger / Wächter der Seelen. Roman
japanischen Weg des Schwertes lernen willst, wäre ich sehr erfreut, dein Sensei zu sein.«
»Das bedeutet Lehrer?«
Er nickte. »Du willst doch lernen, oder?«
Emily grinste schief. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Ja«, erwiderte er lächelnd. »Und Begeisterung ist eine Tugend.«
Eine Tugend! Sie hatte Tugenden! Das war wirklich toll. »Ja, ich würde es wirklich gern lernen, Sensei«, sagte Emily. »Wann können wir anfangen?«
»Wie wäre es mit sofort?«
Sie blinzelte. »Ich schätze, das geht. Brauche ich ein bestimmtes Schwert?«
Der alte Mann erhob sich. »Heute nicht. Wir beginnen mit Worten, nicht mit Waffen. Komm, suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen.«
Emily kaute einen Moment lang auf ihrer Unterlippe. Die seltsamen Schwingungen, die sie von ihm empfing, bargen keinerlei Anzeichen von Dunkelheit, nur einen Hauch von stillem Geheimnis. Blassgolden war immer noch golden. Sie blickte zu Brian, der seinem Schüler eben einen Schwerthieb demonstrierte. Dann hielt sie Ausschau nach Murdoch, aber der große Schotte war nirgends zu sehen. Die beiden Männer würden sie wahrscheinlich nicht einmal vermissen.
»Okay, dann gehen wir.«
Während sie Sora aus der Arena folgte, dachte sie darüber nach, wie er wohl den Saum seiner schwarzen Robe so sauber hielt, obwohl der fortwährend über den Boden schleifte. Vielleicht war das Zauberei.
Eine heiße Welle durchflutete Kiyoko, als Murdoch die Arena betrat. Ihre Wangen röteten sich, aber wie durch ein kleines Wunder bewahrte sie Haltung und geriet in dem Übungskampf gegen Yoshio nicht ins Straucheln. Ein kleines Wunder, denn der Traum von heute Morgen war der bisher intimste gewesen.
Der Kampf war zu Ende, und sie verbeugte sich vor ihrem Gegner.
Yoshio stand ihr als einziger Mensch so nahe wie ein Bruder. Er war auf der Schwelle ihres Vaters aufgetaucht, als er sieben war, und hatte seitdem jeden Tag an Kiyokos Seite trainiert. Obwohl er im Lager lebte und nicht unter dem Dach ihres Vaters, hatten sie auch abseits der Ausbildung viele Stunden zusammen verbracht. Sie waren auf Hügel und Bäume geklettert, hatten den Formationen der Wolken Namen gegeben und über ihre ersten Weissagungsversuche gelacht.
Yoshio lächelte ihr zu.
Mittlerweile standen sie einander nicht mehr so nahe. Nicht, seitdem er seine erste Freundin gefunden hatte und ein wenig zurückhaltender geworden war. Aber er entfernte sich niemals allzu weit von ihr.
Kiyoko stieß ihr Katana zurück in die Scheide und suchte mit den Augen rasch die Tribüne nach Sora ab. Die attraktive männliche Gestalt neben Brian Webster und Conn Quinn übersah sie geflissentlich. Sie wusste nicht, ob sie Murdoch jemals wieder würde in die Augen blicken können. Wenn sie beide dieselben Träume hatten, dann ganz sicher nicht.
Sora war verschwunden.
Sie hob fragend die Augenbrauen, aber Yoshio zuckte die Achseln.
»Er ist vor ein paar Minuten gegangen.«
Wie sonderbar. Keine Kata-Lektion heute. »Sollen wir dann frühstücken gehen?«
Yoshio rümpfte die Nase. »Hast du gesehen, was hier morgens gegessen wird? Alles trieft vor Butter und Fett.«
»Murdoch sagte, die Kantine in den Unterkünften bietet internationale Küche an. Dort müssten wir Reis und Tee bekommen.«
Ein kehliges Grollen hallte durch die Arena, rasch gefolgt vom metallischen Klirren von Klinge auf Klinge. Sofort wurden die Übungskämpfe um sie herum abgebrochen, und mit breitem Lächeln drehten sich alle um. Kiyoko spähte über Yoshios Schulter, um zu sehen, wer da mit wem kämpfte. Sie war nicht überrascht zu entdecken, dass Murdoch und Brian Webster in einem erbitterten Scheingefecht ihre Schwertkünste aneinander maßen.
Überrascht war sie von dem aberwitzigen Tempo des Duells. Und von der grimmigen Aggression auf den schönen Gesichtern der beiden Männer. Dieser Kampf war eine ernst gemeinte Kraftprobe. Murdoch platzierte seine Schläge mit Kraft und Präzision, doch Webster schien ihm in nichts nachzustehen und attackierte und parierte mit atemberaubender Wendigkeit.
Beide Männer landeten innerhalb von Sekunden einen Treffer. Murdoch trug eine Schnittwunde im linken Arm und Webster einen Hieb in die Schulter davon. Aber sie achteten nicht darauf und fuhren fort, mit einer Selbstgefälligkeit aufeinander loszugehen, die Kiyoko zusammenzucken ließ.
»Ich setze auf Murdoch«, sagte ein Wächter neben ihr.
»Sei dir da mal nicht so sicher«, entgegnete ein Kollege, während er seine Brieftasche aus
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