Zärtliche Wildnis
wird dann vielleicht nicht mehr mitkommen. Vielleicht hat sie bis dahin schon andere Pläne«, meinte jemand.
Liz wies das entschieden zurück.
»Ich komme mit. Ich verspreche es. Ganz gleich, wo ich bin oder was ich tue, ich komme mit. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
Dann stellten sie sich ihre Heimkehr vor und die Neckereien, mit denen ihre Männer sie empfangen würden, und erklärten, sie würden eine phantastische Geschichte aus ihrem nächtlichen Abenteuer machen. Liz wurde in all ihre Pläne und Erwartungen miteinbezogen. Ungeduldig versuchten sie, das Mädchen davon zu überzeugen, daß die einmonatige Vorbereitungszeit gar nicht notwendig sei, und sie erklärten, sie wäre ihnen ganz recht, so wie sie sei, sie würden das Häuschen zu einem kleinen Schmuckkästchen machen und nur darauf warten, endlich die Blumen zur Feier ihrer Ankunft hineinstellen zu können. Liz war erfreut und aufgeregt, da sie sich zum erstenmal seit Jahren im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses sah. Dieses Stimmungshoch hielt an, bis sie in die Stadt einfuhren, und sie mit ihrem schönen, unbenutzten Gepäck in ein Taxi stieg. Die anderen warteten auf einen Bus, der sie in den Ort in der Nähe ihres Dorfes zurückbringen sollte. Von dort aus wollten sie ihre Männer anrufen, um sich von ihnen abholen zu lassen. Sie begleiteten Liz zum Taxi und winkten ihr nach, bis der Wagen um eine Ecke verschwand. Liz winkte eifrig, bis sie die Frauen nicht mehr sehen konnte. Dann lehnte sie sich in die Polster und stieß einen tiefen Seufzer aus. Was hatte sie angestellt?
Doch sie wußte, daß sie recht getan hatte, als sie das kalte, leere Haus betrat. Niemals hätte sie hier weiterleben können, ohne Beschäftigung, ohne Freunde, die sie aus ihrer Einsamkeit herausholten, ohne die lebenslustige Kay. Es war ein übereiltes und vielleicht törichtes Versprechen, das sie gegeben hatte, doch sie würde sich ein Jahr lang in dieser Tätigkeit versuchen. Bis dahin würde sie mit sich selbst ins reine gekommen sein und wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Was war schon ein Jahr?
Und es würde bestimmt lustig werden, viel lustiger als eine Reise auf die Inseln oder der Besuch einer Handelsschule. Beides würde nur damit enden, daß sie in dieses leere Haus zurückkehrte, sich vielleicht eine Untermieterin suchte, um nicht so allein zu sein — und sie dann womöglich nicht ausstehen konnte. So aber würde sie in ihrem eigenen Häuschen leben, würde ihr Leben einrichten können wie sie es wollte, und dazu elf gute Freundinnen haben. Nein, zehn; Ada Cooke konnte sie beim besten Willen nicht als Freundin zählen. Was konnte sie mehr verlangen?
Eine Spur von Schuldgefühl rührte sich, als sie dachte, ich sollte wirklich traurig darüber sein, daß Mutter tot ist. Ich müßte sie doch eigentlich vermissen, hin und wieder ihre Stimme hören. Doch dann lächelte sie, denn sie war Realistin und sie wußte, daß die Stimme ungeduldig und herrisch klingen würde, und daß sie ihre Mutter im Grunde nie geliebt hatte. Sie hatte sie geachtet und gefürchtet; aber in den letzten Jahren, während ihrer Krankheit, hatte sie nur noch Mitleid für sie empfunden. Das war alles. Keine glücklichen Erinnerungen banden sie an dieses Haus. Sie würde es verkaufen und fortgehen.
Am folgenden Morgen suchte sie Mr. Dawson auf, ihren Anwalt. Die Formalitäten waren im Handumdrehen erledigt. Er würde einen Makler beauftragen, das Haus zu verkaufen, und würde Elizabeth alle drei Monate einen Scheck schicken. In finanzieller Hinsicht brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, wenn sie auch nicht gerade reich war.
Als sie gegangen war, sagte Mr. Dawson zu seiner Sekretärin: »Ich habe mir oft Sorgen gemacht über die Kleine. Sie war immer so still und schüchtern. Sie scheint sich völlig verändert zu haben. Und das in so kurzer Zeit. Höchst merkwürdig.«
Seine Sekretärin, eine vernünftige Frau, erwiderte: »Nun, sie hat sich neue Kleider gekauft und sieht gut aus. Das hebt das Selbstbewußtsein.«
»Elizabeth«, überlegte der Anwalt laut. »Was für ein bombastischer Name für so ein zartes, kleines Ding. Es wundert mich, daß keine Abkürzung daraus geworden ist, aber das hätte ihre Mutter wohl nie geduldet. Mrs. Mortimer war entsetzlich altmodisch. Und deswegen heißt das Mädchen auch immer noch Elizabeth.«
Er wäre erstaunt gewesen zu hören, daß Elizabeth in allen Diskussionen und Besprechungen in einem Hinterwäldlerdorf ausnahmslos
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