Zärtliche Wildnis
auf den Hof zurückkam, war sein Nachbar und Freund Andrew Oldfield in der Küche und trank gerade Tee mit dem Schäfer Peter Taylor, dessen Arbeitskraft die beiden Männer sich derzeit teilten. Andrew grinste, als er Adams recht betretenes Gesicht sah.
»Du siehst ein bißchen jämmerlich aus. Du trauerst doch nicht etwa Pirate nach, oder? Ich kann dir sagen, daß von den Zwingern eine Dankeshymne gen Himmel gestiegen ist, als er verschwunden war. Ich bin gespannt, wie diese Frau mit ihm fertig wird.«
»Ich weiß es nicht. Er scheint sie gernzuhaben, aber ich schäme mich ein bißchen, daß ich ihn ihr angedreht habe. Ich habe ihr gesagt, daß ich ihn zurücknehmen würde, wenn er Ärger macht, aber ich hoffe...«
»Wir auch. Er ist ja ein netter Hund, aber Gott helfe ihr, wenn jemals ein anderer Hund versuchen sollte, in den Garten einzudringen.«
»Ja. Das habe ich ihr schon klargemacht. Sie ist nicht sehr robust. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie dann mit ihm fertigwerden will.«
Diese Bemerkung genügte, um Oldfields Vorstellung von der Frau in Windythorpe abzurunden. Sie war sicher ein armseliges kleines Ding, vom Leben enttäuscht, in ihrer Arbeit wahrscheinlich ein Versager, schwach und unansehnlich, gezwungen, sich in Ermangelung besserer Gesellschaft einen Hund zum Gefährten zu nehmen. Er beschloß, den Festivitäten von Windythorpe in nächster Zeit fernzubleiben. Ganz bestimmt würden die Leute vom Tal Parties und Bridgeabende veranstalten, um das Geld für die Bezahlung der Frau aufzubringen, und dann würde man von ihm erwarten, daß er mit ihr tanzte. Da war es weit besser, sich sein Vergnügen in Southville zu suchen.
Liz brauchte jedoch Wilcox’ Teilnahme, die von seinem schlechten Gewissen herrührte, nicht. Sie hatte nie zuvor allein einen Hund besessen, und mit jedem Tag machte Pirate ihr mehr Freude. Es war erstaunlich, wie rasch und vollständig er sich seiner neuen Herrin unterordnete. Den kleinen Garten und das Häuschen betrachtete er als sein Heim. Nachts schlief er vor dem offenen Kamin im Wohnzimmer. Jeden Tag machte er brav ausgedehnte Spaziergänge mit seiner Herrin, die ihn eilig an die Leine zu nehmen pflegte, wenn sie einen fremden Hund in der Nähe sah. Anderen Hunden begegnete er nach wie vor mit unheilbarer Angriffslust, doch seiner Herrin und den Kindern gegenüber war er sanftmütig, ergeben und voller Clownerie. Seine Vorliebe für Schuhe schien sich noch zu verstärken; wann immer sich Gelegenheit dazu bot, zog er ihr sanft die Sandalen oder Hausschuhe vom Fuß, und Liz gewöhnte sich allmählich daran, ihre Schuhe im Garten oder auf der Veranda einzusammeln. Er war, wie Liz in ihrem Buch gelesen hatte, der geborene Clown und nie glücklicher, als wenn er sie zum Lachen gebracht hatte.
Alles in allem hätte sich das Abenteuer mit dem Hund nicht glücklicher entwickeln können, und überall im Tal freute man sich, daß Liz das >Riesenvieh< so restlos erobert hatte.
»Und so wird sie es mit allem machen, was ihr begegnet«, sagte Jessie Wheeler stolz, die, wie alle anderen Frauen im Tal, in Liz fast so etwas wie eine Tochter sah.
Liz aber sagte sich wieder einmal voller Zufriedenheit, daß sie tatsächlich eine hellseherische Gabe mitbekommen haben mußte. Jene >Gefühle< in der Nacht in dem alten Haus hatten sich bewahrheitet. Und damit war erwiesen, daß dies alles Bestimmung gewesen war. Sie wünschte, Kay, die ihre >Gefühle< immer belächelt hatte, wäre jetzt hier, damit sie ihr beweisen könnte, wie richtig sie waren.
5
Eines Nachmittags fiel Liz plötzlich ein, daß ihr Auto längst zum Ölwechsel fällig war. Sie war, was ihren Wagen anging, äußerst gewissenhaft und machte sich unverzüglich auf den Weg zu Teds Tankstelle. Pirate hockte wie üblich auf dem Rücksitz. Ehe sie zu Ted ging, besuchte sie Janet, die gerade dabei war, Ernest das Haar zu schneiden. Der Junge hockte in einem Zustand mühsam unterdrückter Wut vor dem Spiegel und stieß bei jeder Locke, die der Schere zum Opfer fiel, erbitterte Protestschreie aus.
»Ist das nicht ein Riesenpech«, sagte er zu Liz, »eine so energische und altmodische Mutter zu haben? Die andern Burschen auf den Maschinen haben alle längeres Haar als ich, und da rückt mir Mutter mit der Schere zu Leibe und verpfuscht mir die ganze schöne Frisur, die ich mir in den letzten drei Monaten in mühevoller Kleinarbeit zugelegt habe. — Nein, das Stück nicht«, schrie er plötzlich und
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