Zärtliche Wildnis
wartenden Wagen hinauszugehen. Ungerührt blieb er sitzen, Liz’ Schuh in seinem Maul. Als sie ihm den Schuh abnahm, gähnte er. Sie lachten beide.
»Das ist keine faire Prüfung«, meinte Wilcox. »Merkwürdig, sonst zieht er immer wie ein Wilder, wenn er den Wagen sieht, aber heute ist er entschlossen zu bleiben, wo er ist. Er wird doch Ihr Haus nicht etwa schon als sein Heim betrachten?«
Genau das schien jedoch der Fall zu sein. Pirate streckte sich zu Liz' Füßen aus und machte Anstalten, sanft einzuschlummern.
»Nein«, sagte Adam hastig, »so geht das nicht. Sie dürfen sich nicht einfach von ihm überfahren lassen. Wenn Sie sich aber entschließen sollten, ihn zu behalten, dann werde ich Ihnen ein Stück Garten einzäunen, damit er hier frei herumlaufen kann.«
»Das ist nicht nötig. Tom Wheeler und die anderen Männer aus dem Tal haben sich schon erboten, einen Zaun zu errichten. Der Maschendraht aus Southville ist schon da.«
Er lächelte angesichts ihres Eifers. Sie war wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug.
Sie sah das Lächeln und sagte: »Ich weiß, ich komme Ihnen übereifrig vor, aber Sie können sich ja nicht vorstellen, wie es ist, wenn man sich sein Leben lang ein Haustier gewünscht hat und nie eines haben durfte. — Und ganz für mich allein. Ach, beinahe hätte ich es vergessen. Bitte trinken Sie doch eine Tasse Tee oder Kaffee mit mir. Über Pirate habe ich alles andere vergessen.«
Er lehnte dankend ab und versprach, den Hund zu bringen, sobald der kleine Garten eingezäunt war. Im stillen fragte er sich, ob sie sich die Ausgabe leisten konnte. Er hätte ihr gern angeboten, den Zaun zu zahlen, doch etwas in ihrem Verhalten verbot es ihm. Er mußte mit Tom Wheeler darüber sprechen.
Als er das tat, erklärte ihm Tom mit Entschiedenheit: »Sie scheint genug Geld zu haben, um davon leben zu können, und sie nimmt nicht gern Gefälligkeiten an. Sie hat mir erlaubt, den Zaun zu ziehen, so wie sie den Frauen erlaubte, das Häuschen herzurichten, aber sie will keinesfalls, daß jemand für den Maschendraht bezahlt. Ich habe ihr selbst angeboten, dafür zu zahlen, weil sie uns allen einen großen Gefallen damit tut, daß sie uns jeden Morgen für ein paar Stunden die Kinder abnimmt, ohne etwas dafür zu verlangen. Lassen wir es lieber dabei bewenden. Ich vermute, sie hat ein kleines privates Einkommen.«
Als Adam Wilcox das nächste Mal seinen Freund Andrew Oldfield sah, erzählte er ihm von seinem Vorhaben, Pirate abzugeben, und von der recht schüchternen jungen Frau, die sich bereit erklärt hatte, ihn zu nehmen, und die, wie es schien, ganz ohne Entgelt die Kinder von Windythorpe in ihre Obhut genommen hatte. Andrew war erfreut, daß sich jemand gefunden hatte, der den Hund aufnehmen wollte, aber ansonsten war er nicht sehr interessiert. Der Typ von Frau, der sich freiwillig in Windythorpe niederließ, um einen Haufen kleiner Rotznasen unter seine Fittiche zu nehmen, besaß für ihn nicht die geringste Attraktion, und aus irgendeinem Grund stellte er sich eine leicht verblühte Junggesellin ungewissen Alters vor, die aufs Land geflohen war, um hier den Ehemann zu finden, der ihr bisher durch die Finger geschlüpft war.
»Ach«, meinte er desinteressiert, »sie wird sich den Maschendraht schon leisten können. Da würde ich gar nicht streiten. Der Hund ist zwar anderen Hunden gegenüber unleidlich, aber er stammt aus guter Zucht und ist wertvoll, und es gibt massenhaft Frauen, die sich gern als Hundeliebhaberinnen ausgeben, besonders wenn es sich um einen großen Hund handelt. Ich hoffe nur, sie wird mit dem Untier fertig werden.«
Außerdem erklärte er, er hätte zu viel zu tun, um einen halben Tag damit zu verschwenden, beim Ziehen des Zauns zu helfen. Er würde aber an seiner Statt Peter Taylor, seinen Schäfer, schicken. Tatsache war, daß Andrew ein wenig zur Arroganz neigte und das Tun und Treiben der Leute im Tal ihn langweilte. Er hatte sie gern, machte bei allen ihren Unternehmungen mit, doch wenn er auf eine Party gehen wollte, dann fuhr er lieber nach Southville und versuchte, häufig ohne Erfolg, Adam mitzunehmen. Adam war zu solchen Ausflügen nur schwer zu bewegen. Selbst jetzt noch, nachdem bereits fünf Jahre verstrichen waren, trauerte er um seine Frau, die er mit so vielen Erwartungen geheiratet hatte, als sie Zwanzig und er Zweiundzwanzig gewesen war. Sie war bei der Entbindung von einer Frühgeburt gestorben. Das Kind war ebenfalls gestorben. Darauf hatte Adam
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