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Zärtliche Wildnis

Zärtliche Wildnis

Titel: Zärtliche Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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war ein merkwürdiges kleines Ding, völlig furchtlos und doch schüchtern, und plötzlich wieder ganz unbefangen, gleichzeitig sanftmütig und höchst energisch. Er konnte nicht verstehen, daß sie sich dieses Leben gewählt hatte, und erklärte es sich damit, daß er sich sagte, sie müsse wohl arm wie eine Kirchenmaus sein, die froh war, irgendwo Unterschlupf gefunden zu haben. Aber warum hatte sie nicht einen Beruf erlernt wie jedes andere Mädchen? Sie schien bei guter Gesundheit zu sein und ausreichend intelligent.
    Nach dieser recht herablassenden Beurteilung seiner Gastgeberin strich Andrew Oldfield das Mädchen wieder aus seinen Gedanken und sank endlich in einen von Schmerzen gequälten Schlaf, der ihn erfrischte.
     
     
     

6
     
    Eine halbe Stunde später öffnete er, von Pirates feuchter Zunge geweckt, die Augen. Liz riß den Hund mit einem strengen Befehl zurück, doch Oldfield meinte ungerührt: »Ich habe ja, ehrlich gesagt, eine Schwäche für das Riesenvieh, solange er nur nicht meine Hunde aufs Korn nimmt.«
    »Ja, und Ihren Knöchel sollte er lieber auch in Ruhe lassen, ’runter da, Pirate, aber sofort.«
    »Sie sind schnell zurück. Konnten Sie ein Taxi bekommen?«
    »Ich habe es gar nicht versucht. Sie brauchen einen Krankenwagen. Ich habe deshalb den Arzt angerufen.«
    »Sie sind eine höchst energische junge Frau. Ein Taxi hätte es auch getan.«
    »Es wird auch bei einem Taxi bleiben müssen, oder Sie müssen mit meinem Wagen vorliebnehmen. Es war nämlich kein Krankenwagen frei. Sie sind beide an einer Unfallstelle auf der anderen Seite von Southville, und Sie müßten mindestens zwei Stunden warten. Ein Taxi würde auch nicht gleich kommen und wäre nicht bequemer als mein Wagen. Der hat einen geräumigen Rücksitz. Der Arzt meinte, die Fahrt würden Sie schon überstehen, deshalb werde ich Ihnen jetzt eine Tasse Kaffee machen — oder möchten Sie lieber süßen Tee?«
    Bei der Erinnerung an das Gebräu der vergangenen Nacht stimmte er hastig für Kaffee, fügte aber dann hinzu, das wäre gar nicht nötig.
    »Bis zum Krankenhaus brauchen wir nicht einmal eine Stunde, und ich möchte nicht, daß Sie sich meinetwegen noch mehr Umstände machen. Ich bin Ihnen schon lange genug zur Last gefallen, ganz zu schweigen von der schlaflosen Nacht, die Sie meinetwegen verbracht haben. Bei den meisten Frauen würde ich auch noch von einer Heidenangst sprechen, aber Sie scheint nichts so leicht erschüttern zu können. Sie nahmen mein nächtliches Auftauchen sehr gelassen auf, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin.«
    Bei seinen Lobesworten überkam sie plötzlich wieder Schüchternheit, und es war gar nicht mehr die energische kleine Person von zuvor.
    »Aber nein, Sie haben mir gar keine Mühe gemacht, und von solchen Überraschungen lasse ich mich nicht so leicht erschrecken.« Sie wünschte, sie wäre auch in anderer Beziehung so unerschrocken und selbstbewußt gewesen und könnte angesichts dieses recht beeindruckenden Fremden ihre Schüchternheit ganz überwinden. Um sich gegen ihre Zaghaftigkeit durchzusetzen, fügte sie hinzu: »Aber es war dumm von Ihnen, daß Sie mich nicht schon gestern nacht Hilfe holen ließen. Das hätte Ihnen viel Schmerzen erspart.«
    »Ja, Ihre Prognosen, daß Ihnen nichts zustoßen würde, haben sich zufällig als richtig erwiesen, aber woher hätten wir das zu diesem Zeitpunkt wissen sollen? Und welcher Mann würde eine Frau mitten in der Nacht mutterseelenallein eine einsame Straße hinuntermarschieren lassen, wenn er weiß, daß in der Nähe ein gefährlicher Verbrecher lauert?« Dann setzte er mit einiger Überwindung hinzu: »Ich habe mich recht ungehobelt benommen, aber das müssen Sie mir verzeihen. Im Süßholzraspeln war ich noch nie groß, aber ich bin Ihnen wirklich dankbar.«
    Offensichtlich kein Mann, der es gewohnt war, sich bei anderen zu entschuldigen, dachte Liz, und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Toast war wahrscheinlich nicht empfehlenswert, sagte sie sich, da man ihn vielleicht unter Narkose setzen würde. Es ärgerte sie festzustellen, daß ihre verhaßte Schüchternheit, die sie schon überwunden geglaubt hatte, zurückkehrte, wenn er höflich und manierlich war. Solange er barsch und grob war, fühlte sie sich frei und unbefangen, und am liebsten hätte sie ihm gesagt, er solle weiterhin so bleiben. Doch das ging natürlich nicht.
    »Mein Wagen steht vor der Tür«, sagte sie, als sie ihm seine Tasse mit

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