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Zärtliche Wildnis

Zärtliche Wildnis

Titel: Zärtliche Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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Himmel, nie im Leben hätte ich mitten in der Nacht einen fremden Mann in mein Haus gelassen.«
    »Da habe ich aber Glück gehabt, daß Sie sich so verändert haben. — Nun erklären Sie mir aber einmal, warum Sie so schüchtern waren. Das ist eine Schwäche, die bei den meisten Frauen, die ich kennenlerne, nicht vorhanden ist.«
    »Nein, aber diese Frauen haben auch ein anderes Leben geführt als ich.«
    Und zu ihrer Überraschung begann sie, ihm die Einsamkeit und Monotonie jener Jahre zu schildern. Er unterbrach sie nicht. Er war ein aufmerksamer Zuhörer, und dieses Mädchen interessierte ihn. Er betrachtete sie aufmerksam und fragte sich, wie es möglich gewesen war, daß er sie als >unansehnliches, kleines Ding< abgetan hatte. Dann fiel ihm der rote Morgenrock ein, und er unterdrückte ein Lächeln. War dies wirklich dasselbe Mädchen?
    Als sie bei dem Bericht über die Busfahrt und die Nacht in dem leeren Haus angekommen war, sagte er: »Wenn ich Sie nicht schon ein wenig kennen würde, würde ich sagen, daß Sie ein bißchen übertreiben. — Wie alt waren Sie denn, als Ihre Mutter bettlägerig wurde?«
    Er fragte es nur, um herauszufinden, wie alt sie jetzt war. Und sie war ganz aufrichtig.
    »Ich war damals fast neunzehn, und jetzt bin ich etwas über einundzwanzig.« Dann lächelte sie verschmitzt und fügte hinzu: »Das war es doch, was Sie wissen wollten, nicht wahr?«
    Kay wäre mit ihr zufrieden gewesen, dachte sie.
    »Und in jener Nacht«, fuhr sie dann fort, »machten wir alles aus, und die Frauen haben mir das Häuschen zur Verfügung gestellt — aber das wissen Sie ja inzwischen, und Mr. Wilcox schenkte mir den prachtvollen Hund, aber das wissen Sie ja auch schon.«
    »Ja, das Häuschen kenne ich jetzt, und die Nacht, die ich dort verbracht habe, werde ich sicher nie vergessen.«
    »Nein, Sie armer Mensch.«
    Dann traf sie die Erinnerung an diese Nacht mit solcher Lebhaftigkeit, daß sie tatsächlich wieder errötete. Er sah es und brachte es fertig, nicht zu lächeln. Wahrscheinlich dachte sie an den Gang zur Toilette. Auf die meisten modernen Mädchen hätte das überhaupt keinen Eindruck gemacht, doch dieses Mädchen war anders — einmal vergnügt und unbefangen, dann wieder plötzlich verschlossen und spröde wie eine viktorianische junge Dame.
    Er unterdrückte ein Grinsen, als sie unvermittelt sagte: »Ach, du lieber Schreck, ich möchte nicht wissen, was Mrs. Cooke über diese abenteuerliche Nacht zu reden hätte!«
    Und dann lachten sie beide.
    Durch Fragen brachte er sie dazu, mehr über ihr Leben zu erzählen, über den Kindergarten und über den >prachtvollen< Hund. Sie erklärte ihm, daß sie die Leute von Windythorpe liebgewonnen hätte, und er erwiderte mit echtem, wenn auch für ihn ungewohnten Bedauern: »Ich kenne sie gar nicht gut genug, weil das Dorf nicht an unserer Straße liegt. Ich glaube, ich muß häufiger einmal den Umweg fahren. Sie haben in mir die Neugier geweckt.«
    Irgendwo schlug eine Glocke an, und Liz sprang auf. Sie war über sich selbst erschrocken.
    »Lieber Himmel, ich habe ja stundenlang gequasselt.«
    Er lachte. »Genau eine halbe Stunde. Ich wünschte, es wäre noch nicht vorüber. Diese verflixte Glocke und all die Vorschriften und Regeln hier im Krankenhaus. Es war eine herrliche Abwechslung, endlich einmal jemanden zu treffen, der — « Er zögerte einen Moment. Wie sollte er es formulieren? Jemanden, der so kindlich und doch so klug, so unschuldig und unberührt war, so unglaublich jung und unerfahren, und dennoch mit einem Urteilsvermögen ausgestattet, das durch und durch gesund war. Er beschloß, seinen Satz damit zu beenden, daß er sagte: »... jemanden zu treffen, der einmal ein anderes Leben führt und geführt hat. Wir Farmer sind ziemlich engstirnig, wissen Sie. Ich habe einen Freund, Adam Wilcox, der in der Nähe wohnt. Aber Sie kennen ihn ja. Er hat Ihnen den Hund aufgeschwatzt. Nun, wir arbeiten mehr oder weniger zusammen. Seit die Lage ein bißchen schwierig geworden ist, teilen wir uns sogar den Schäfer. Ab und zu fahren wir zu einer Party in die Stadt oder laden ein paar Freunde ein oder fahren auch einmal in die Großstadt, wenn es etwas Bemerkenswertes zu sehen oder zu hören gibt. Aber sonst sind wir einfache Farmer. Ein ziemlich langweiliges Leben.«
    Sie dachte im stillen, es sei noch ein ausgefülltes und erregendes Leben, verglichen mit dem ihren, doch sie sagte das nicht. Statt dessen machte sie Anstalten, eilig aufzubrechen.

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