Zärtliche Wildnis
mit, weil wir gute Freunde gewesen waren. Denn wissen Sie, meine Mutter starb, als ich erst fünf war, und von da an war ich immer mit meinem Vater allein. Ich wollte ihn überreden, mit mir auf Reisen zu gehen, aber er blieb hart. >Ein junger Mann braucht seinen Vater nicht, wenn er sich austoben will<, sagte er. Nun, von austoben kann keine Rede sein. Dafür war die Heimkehr um so trauriger. Dann kam ich dahinter, daß ich, wie ich glaubte, in der Liebe betrogen worden sei — ihr Name war, glaube ich, Sally — , und beschloß, allem den Rücken zu kehren und mich hier in diesem Winkel zu verkriechen. Ich kaufte mir eine Farm, zu meinem Glück direkt neben Adam Wilcox. Ich kannte ihn schon von früher und mochte ihn gern, und so ließen wir uns nieder, um gewissermaßen in trauter Zweisamkeit ein Junggesellenleben zu führen.«
»Wohnen Sie auch im selben Haus?«
»Nein, das wäre nicht gut. Wir neigen beide ein wenig zum Einsiedlertum. Adam füllt sein Haus allerdings mit Hunden und dergleichen. Unsere Häuser liegen ungefähr anderthalb Kilometer voneinander entfernt, und wir teilen uns den Schäfer, wie ich Ihnen bereits erzählte. Peter arbeitet abwechselnd einmal auf dem einen Hof, dann auf dem anderen, jeweils so eine Woche etwa, manchmal auch nur einen Tag. Er ist ein sehr zuverlässiger Mensch und hat eine reizende Frau, die uns beiden das Haus führt, obwohl sie und Peter bei Adam leben. Es ist besser, daß sie bei Adam leben, denn er fühlt sich einsam.«
»Und Sie nicht?«
Andrew zuckte die Achseln.
»Seit dem Tod meines Vaters war ich immer auf mich selbst gestellt. Adam hat glückliche Zeiten erlebt — nur zwei Jahre — mit seiner Frau. Als sie starb, ist er durch die Hölle gegangen, und da schien es mir am besten, den Schäfer und seine Frau bei ihm unterzubringen. Meri kommt dreimal in der Woche zu mir herüber und macht bei mir Ordnung. Das klingt alles recht seltsam, aber es klappt ganz gut.«
Liz hätte gerne Fragen über die junge Frau gestellt, die gestorben war, aber sie hatte das Gefühl, daß dieses Thema tabu war; deshalb lenkte sie das Gespräch auf die Farm. Ja, sie züchteten Schafe und Rinder. Keiner der beiden Männer hatte sich auf Milchwirtschaft verlegt, die einzige Methode, rasch Geld zu verdienen; man war dann einfach zu sehr gebunden. Sie verdienten das Geld zwar nicht gerade scheffelweise, doch sie hatten das Glück, nicht durch Hypotheken belastet zu sein, und konnten leben, selbst wenn Weltreisen und neue Autos im Augenblick unerschwinglich waren.
»Wie sah eigentlich Ihr Wagen aus?« fragte Liz, unvermittelt an den Unfall denkend.
»Ach, gar nicht so schlimm. Die Leute von der Versicherung sagten mir, daß er vor mir wieder in Ordnung sein würde. Am Rahmen ist nichts passiert, nur die Karosserie ist ein wenig verbeult. Adam hat übrigens genau wie Sie zuerst nach der Kuh gefragt. Nachdem ich ihm versichert hatte, daß ihr nichts zugestoßen ist, verlor er das Interesse.«
Liz lachte. »Er muß Tiere wirklich gernhaben. Ich kann von Glück reden, daß er mir Pirate überhaupt überlassen hat. Er ist mir schon richtig ans Herz gewachsen, und jetzt hockt er sabbernd im Wagen und wartet sehnsüchtig auf mich.«
»Ach, Adam ist der reinste Tiernarr. Er hätte nie Viehzüchter werden sollen. Da muß man ein bißchen hart sein. Adam macht sich viel zu viel Sorgen wegen seiner Tiere. Und seine Hunde parieren überhaupt nicht.«
»Richtet er sie denn nicht richtig ab?«
»Natürlich nicht. Er ist viel zu weichherzig. Er brüllt sie an und gebraucht Worte, die sogar Meri schockieren, aber dabei bleibt es. Er liebt sie wie die Kinder, und wenn einer von ihnen mal einen Tritt von einem Stier abbekommt, läßt er alles stehen und liegen und befördert das dämliche Vieh auf dem schnellsten Weg zum Tierarzt.«
»Das will ich aber auch hoffen. Das ist doch auch das mindeste, was man tun kann. Die Hunde arbeiten doch für Sie, da müssen Sie sich auch um sie kümmern.«
Andrew lachte. »Sie reden wie Adam, oder vielmehr wie Norah.«
Er sagte nicht, wer Norah war, doch Liz vermutete, daß es die junge Frau war, deren Tod Adam Wilcox so hart getroffen hatte, und sie hörte, wie weich Andrews Stimme bei der Erwähnung ihres Namens wurde.
Sie stand auf, um zu gehen. Wenn er entlassen werden sollte, bevor sie wiederkäme, sagte sie, sollte er die Bücher einfach Kay geben.
»Denn Sie sind ja fast gesund, und ich werde jetzt einige Tage nicht kommen. Ich gebe eine kleine
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