Zärtlicher Eroberer
so dumm, ein Minimum an Glück und Sicherheit aus einer Laune heraus zu verschmähen. Auch war sie nicht so töricht, die Vorzüge einer Ehe mit Lucien Canton zu ignorieren. Als ihr Freund hatte er etwas Besseres verdient als eine glatte Abfuhr.
„Lucien, du erweist mir eine große Ehre, die es durchaus wert ist, darüber nachzudenken. Sei versichert, dass dein Antrag Vorrang in meinen Gedanken haben wird, wenn ich nach Cambourne zurückfahre.“
„Dann nimm diesen Anhänger als Pfand meiner Wertschätzung und Zuneigung, Philippa. Er soll dich immer an mich erinnern.“ Lucien war zu galant, sie konnte ihn nicht zurückweisen, als er ihr die Halskette umlegte. „So, und nun gehe packen, meine Liebe. Schlaf gut, ich werde morgen früh auf sein, um mich von dir zu verabschieden.“
Die Wandverkleidung links vom Kamin glitt zur Seite, und Mandeville Danforth trat aus seinem Versteck. „Das ist ja vielleicht ein Zimmer da hinten“, sagte er leise lachend. „Könnte direkt aus der Zeit von Bonnie Prince Charlie stammen!“
„Das verlief gut, finde ich.“ Lucien interessierte sich nicht sonderlich dafür, wie Danforth die Geheimkammer fand.
„Ja, fürwahr. Allerdings hätte sie auch Ja sagen können“, beeilte Danforth sich zu bemerken.
„Wenigstens hat sie nicht Nein gesagt. St. Just hat ihr den Kopf verdreht, aber wie weit, lässt sich nicht so leicht sagen. Wir sind nicht die Einzigen, die Nachforschungen in London anstellen. Sie hat auch schon daran gedacht. Mein Butler hat in ihrem Zimmer einen Brief gefunden. Wir können uns ihre Zweifel an St. Just zunutze machen, wenn es nötig sein wird.“
„Es ist nötig, das ist bereits abgemachte Sache“, verbesserte Danforth. „Sie muss Sie heiraten – oder Ihnen ihre gesamten Schürfrechte und Zuliefererfirmen verkaufen. Sie müssen Cambournes Interessen kontrollieren. Ich glaube aber nicht, dass sie verkaufen wird.“ Danforths Augen verengten sich zu Schlitzen. „Wir könnten einen neuerlichen Unfall inszenieren, eventuell auch mehrere, das würde sie vielleicht überzeugen, sich von den Rechten und Firmen zu trennen“, begann er bereits zu planen.
„Nein“, fiel ihm Lucien schroff ins Wort. „Besitztümer, die mit dem Makel eines Unfalls behaftet sind, ermutigen Investoren nicht gerade, mit ihrem Geld herauszurücken. Auf Dauer würde uns das eher schaden als nutzen. Außerdem ist sie hartnäckig, und ein Sabotageakt nimmt zu viel Vorbereitungszeit in Anspruch. Wir brauchen ihre Liegenschaften spätestens bis Ende des Sommers.“
„Dann sieht es ganz so aus, als sollte die Duchess sich mit dem Gedanken anfreunden, eine Junibraut zu werden.“ Danforths Tonfall verriet, dass Philippa Lytton schon bald vor dem Altar stehen würde, ob sie das nun wollte oder nicht.
Lucien erhob sein Glas. „Auf das Ende meiner Zeit als Junggeselle!“
9. KAPITEL
Wie froh sie war, wieder zu Hause zu sein! Philippa legte die Feder nieder und sah von ihren Kassenbüchern auf. Sie streckte sich und genoss die herrliche Aussicht durch die hohen Fenster der Bibliothek. Nicht einmal der feine Nieselregen konnte ihre Begeisterung schmälern. Vor ihr erstreckten sich die großzügigen Rasenflächen in sattem Grün, selbst im Winter. In der Ferne schimmerte der Teich, auf dem sich Enten tummelten. Bei schönerem Wetter hätte sie wohl die Fenster weit geöffnet, um das Entengeschnatter zu hören.
Alles in allem war sie zwei Monate fort gewesen. Erst in London zur Herbstsitzung des Parlaments, weil sie sich an den Diskussionen über die Reform des Bergbaus hatte beteiligen wollen, dann über Weihnachten in Richmond und bei Lucien zum Jahreswechsel. Jetzt konnte sie drei Monate lang zu Hause bleiben, bis sie nach Ostern wieder nach London zurückkehren musste.
Zu Hause. Ihr kleines Königreich, das sie unangefochten regierte. Sie führte die Bücher, sie überwachte die täglichen geschäftlichen Transaktionen, sie besuchte die Pächter und das zum Besitz gehörende Landgut und kümmerte sich um die Belange der Minenarbeiter. Hier machte ihr kein Mann Vorschriften.
Philippa wusste, in welcher Ausnahmesituation sie sich damit befand. Das alles war ihr nicht einfach zugeflogen, sie hatte dafür einen hohen Preis gezahlt, indem sie ihren Jugendtraum geopfert hatte. Sie hatte aus Liebe heiraten wollen, wie in diesen romantischen Märchen oder Liebesromanen. Stattdessen hatte sie den Mann geehelicht, den ihre Familie für sie ausgesucht hatte, und mit ihm ein stilles,
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