Zärtlicher Eroberer
kameradschaftliches Leben geführt.
Vielleicht war das ja sogar besser. Ihre Erfahrung mit Valerian war ziemlich aufschlussreich, was die Dauer und Verlässlichkeit einer romantischen Liebe betraf. Sie hatte eindeutig ihre Grenzen. Allerdings hatte auch Kameradschaft ihre Grenzen. Cambourne war freundlich und auf eine Art großzügig gewesen, die weit über das Materielle hinausging. Er hatte ihr alles über das Geschäft und die Finanzen beigebracht und sich über ihr Interesse an seinen Besitzungen gefreut.
Am Anfang hatte sie nur Anteilnahme dafür gezeigt, weil sie nach Valerians Fortgehen Ablenkung gesucht hatte. Sie hatte etwas gebraucht, womit sie sich beschäftigen konnte. Später war es ihr zu einem ehrlichen Anliegen geworden, sich aktiv für die Belange des Cambourne-Unternehmens einzusetzen. Sie hatte die Schule für die Kinder der Minenarbeiter gegründet, die zu einem ihrer Lieblingsprojekte geworden war.
Dann war Cambourne so plötzlich gestorben, und sie hatte angefangen, sich leidenschaftlich für eine Gesetzgebung einzusetzen, die für mehr Sicherheit im Bergbau sorgen sollte. O ja, es war nicht abzustreiten, dass ihre Tage mittlerweile ziemlich ausgefüllt waren. Sie hatte sich bewundernswert schnell in ihrer neuen Rolle als junge Duchess of Cambourne zurechtgefunden, und ein paar Jahre darauf als Dowager Duchess. Aber sich ständig einer neuen Rolle anzupassen, war harte Arbeit, und sie hegte nicht den Wunsch, das schon wieder tun zu müssen.
Philippa tastete nach dem Saphir an ihrem Hals. Sie hatte Luciens Geschenk an diesem Tag angelegt, um zu ihrem Wort zu stehen. Niemand sah sie, niemand erinnerte sie an ihr Versprechen, aber sie selbst wollte es so. Sie hatte Lucien versichert, seinen Antrag zu überdenken. Der Anhänger sollte sie daran erinnern. Sie war es Lucien schuldig, sich wenigstens ein paar Gedanken darüber zu machen. Obwohl – wenn er ihre Gedanken hätte lesen können, wäre es ihm wahrscheinlich lieber gewesen, wenn sie nicht nachgedacht hätte. Eine Ehe mit Lucien würde eindeutig eine weitere Anpassung an eine neue Rolle bedeuten.
Wahrscheinlich konnte sie ihre Anwälte einen Ehevertrag aufsetzen lassen, der ihren Besitz schützte, aber es würde schwierig werden. Nicht einmal das Vermögen einer Dowager Duchess war sicher vor den Rechten eines neuen Ehemanns. Irgendetwas würde sie ihm überlassen müssen. Es war nicht unbedingt so, dass sie ihm nicht vertraute. Es ging ihr mehr darum, die Eigenverantwortung aufgeben zu müssen, an die sie sich so gewöhnt hatte.
Und auch sonst würde sie viel von ihrer Selbstständigkeit verlieren. Im Fall einer Ehe erwartete Lucien von ihr bestimmt, dass sie ihn überallhin begleitete. Dann war das Jahr aufgeteilt, erst in Truro, dann London, den Besitz seines Vaters und zum Schluss Cambourne. Sie würde nicht viel Zeit haben, so zu leben wie sie wollte. Ihre Interessen würden hinter Luciens zurückstehen müssen, und wenn sein Vater irgendwann starb, würden Luciens Verpflichtungen noch zunehmen. Die zukünftige Viscountess zu werden bedeutete eine gewaltige Umstellung für sie. Da blieb wenig Raum, weiterhin auch die Dowager Duchess of Cambourne sein zu können – gar keiner, im Grunde genommen.
Und wozu das alles?
Sicherheit? Sie brauchte keine Sicherheit, die hatte sie im Überfluss durch ihre eigenen Besitztümer.
Geld? Sie war mittlerweile viel vermögender als es ihre eigene Familie in ihrer Kindheit war. Eine Ehe mit Lucien würde ihren Reichtum nicht entscheidend vergrößern.
Freundschaft? Sicher, sie und Lucien kamen gut miteinander aus, aber diese Freundschaft bestand schon, dafür brauchte sie ihn nicht zu heiraten.
Liebe? Ganz gewiss nicht. Trotz seiner Beteuerungen am Abend vor ihrer Abreise wusste Philippa, dass Lucien sie genauso wenig liebte wie sie ihn. Sie schätzte ihn, aber man heiratete nicht, weil man jemanden schätzte. Sie war sich nicht sicher, ob Lucien überhaupt zu einer großen Liebe fähig war, zu der Art von Liebe, wegen der man heiratete, weil man erkannt hatte, dass der Betreffende der einzige Mensch auf der Welt war, bei dem man restlose Erfüllung finden konnte.
Es gab nicht einen einzigen von den Gründen, aus denen Frauen üblicherweise heirateten. Sie konnte auch sonst keinen Grund nennen, warum sie Lucien heiraten und alles aufgeben sollte, was sie hatte. Das führte höchstens zu der Frage – warum hatte Lucien ihr überhaupt einen Antrag gemacht?
Eins allerdings brauchte Lucien, was
Weitere Kostenlose Bücher