Zärtlicher Eroberer
sie in dieser Form nicht benötigte, nämlich einen Erben. Er näherte sich allmählich dem Alter, in dem man eine Familie gründen und für die Zukunft vorsorgen musste. Vielleicht hatte er deshalb nach einer Frau gesucht und beschlossen, dass sie besser zu ihm passte als eine der vielen Debütantinnen auf Londons Heiratsmarkt.
Das wäre ein Entschluss, den sie nachvollziehen konnte. Lucien würde es bei einer geistlosen Ehefrau nicht aushalten. Er suchte nach einer intelligenten Frau, die sich auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bewegen verstand. Genau wie sie hatte Lucien zusätzlichen Reichtum nicht nötig. Und aus Freundschaft brauchte er ebenfalls nicht zu heiraten.
Philippa nahm seufzend die Halskette ab und legte sie erst einmal in eine Schreibtischschublade. Später würde sie sie mit nach oben nehmen. Lucien würde enttäuscht sein von ihrer Antwort, und ihre Freundschaft konnte deswegen durchaus Schaden nehmen. Bestimmt wollte er wissen, warum. Er würde versuchen, ihre Bedenken mit Versprechen zu zerstreuen, die er sicher auch halten wollte, aber unter dem gesellschaftlichen Druck nicht halten konnte – wie zum Beispiel ihr das Recht zuzugestehen, ihr eigenes Leben zu leben. Er würde seine Vorzüge offen darlegen und sagen: „Warum nicht ich? Glaubst du, du findest noch einen Besseren?“
Und genau das tat sie. Zumindest hoffte sie es. Sie hatte einmal zum Wohl ihrer Familie geheiratet. Wenn sie ein zweites Mal heiratete, dann nur zu ihrem eigenen Glück. Sie mochte zwar mit beiden Beinen fest im Leben stehen, aber an ihren Vorstellungen von Romantik hielt sie dennoch fest.
Das hieß nicht, dass sie jemand Bestimmten ins Auge gefasst hätte, und schon gar nicht Valerian. Er hatte ihr bereits bewiesen, dass er für so etwas nicht zu haben war. Aber es war schwer, seine Küsse vergessen zu können, und das erinnerte sie immer wieder daran, dass eine oberflächliche Freundschaft allein es nicht wert war, sich dauerhaft zu binden.
Philippa erhob sich von ihrem Schreibtisch. Der Nieselregen hatte aufgehört, und sie beschloss, sich umzuziehen und vor dem nächsten Regen ein wenig auszureiten. Nach ihrer Rückkehr würde sie Lucien schreiben und ihm ihren Entschluss mitteilen. Es hatte keinen Sinn, damit zu warten. Schlechte Nachrichten wurden mit der Zeit nicht besser, und je länger sie es vor sich herschob, ihm seine Illusionen bezüglich einer Ehe zu rauben, desto mehr Hoffnungen machte er sich wahrscheinlich, sein Antrag sei angenommen worden.
Lucien war tatsächlich in keiner Weise beunruhigt, als man ihm in der ersten Februarwoche in seinem Herrenhaus in Truro Lady Cambournes Brief überbrachte. Im Gegenteil, er befand sich in einer absoluten Hochstimmung. Das neue Jahr hatte großartig begonnen.
Danforths Bank war von den örtlichen Investoren sehr gut angenommen worden. Cornwall war reich an wirtschaftlichen Quellen, nicht nur an Bodenschätzen. Die Industrie weckte auch den Erfindergeist. Viele Männer wie Dabuz, Bolithio und Williams hatten den Bedarf an anderen Industriezweigen wie Zinnschmelzen und Schwarzpulver erkannt. Dabuz und Fox schworen darauf, dass Zinnschmelzen und Schwarzpulverfabriken weitaus mehr Profit abwarfen als das Schürfen nach Zinn an sich. Der Höhe ihrer Geldanlagen nach zu urteilen, fühlte Lucien sich geneigt, ihnen zuzustimmen.
Ein paar Einladungen zum Dinner hatten genügt, die Finanzmittel zu bündeln, die man brauchte, um mit Investitionen und Aufkäufen anfangen zu können. Diese Männer waren genauso habgierig wie er selbst. Sie erkannten sofort den Vorteil, sich zu einem Kartell zusammenzuschließen, das den Zugang der Außenwelt zu den Zinnressourcen kontrollierte und den Preis bestimmte, den die Außenwelt für diese Annehmlichkeit zu zahlen hatte.
Sie hatten auch eingesehen, warum es so wichtig war, den Bergbau in den neuen britischen Niederlassungen in Südamerika zu beherrschen. Ließ man es zu, dass diese Ressourcen in Konkurrenz zum Kartell traten, verringerte sich dadurch der Profit. Wurden diese Niederlassungen aber durch das Kartell kontrolliert, ließen sich auch die Preise kontrollieren.
Lucien hatte die Vorstandsmitglieder der neuen Bank handverlesen, und alle hatten der Auffassung zugestimmt, dass der erste Schritt zum Aufbau ihres Überseekartells darin bestehen sollte, Anteile an der größten britischen Zeche in Südamerika zu erwerben. Monopole und Kartelle waren eine heikle Angelegenheit. Auf keinen Fall durfte man seine Pläne
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