Zärtlicher Hinterhalt
Gewicht auf ihrer Brust, die Laute, der Duft, dieses Sichaneinanderreiben, die Nähe … niemals wieder!
»Das ist Prinz Alberts Augenbraue, nicht sein Kinn!« Miss Minnie nahm Hannah das kleine Webstück aus der Hand.
Diese Lady war heute aber wirklich streitsüchtig.
Hannah rutschte zu Tante Spring hinüber.
»Würden Sie mir das Garn in die Nadel einfädeln, meine Liebe?«, bat Tante Spring.
Als sie Dougald und seine Liebeskünste zum ersten Mal hinter sich gelassen hatte, war Hannah von stoischer Ruhe erfüllt. Weil sie, wie sie jetzt wusste, viel zu naiv gewesen war, um zu begreifen, was sie aufgegeben hatte. jetzt wusste sie es. Wie morgens die frischen Bartstoppeln über ihre Brüste kratzten, wenn er sie liebkoste. Das raue Haar unter ihren Händen, wenn sie seinen Oberkörper streichelte. Die seidigen Strähnen seiner Mähne, die ihr ums Gesicht fielen, wenn er sie küsste. Und er hatte Charles doch tatsächlich gestattet, ihm das Haar zu schneiden.
Damit er auf Ihre Majestät einen properen Eindruck machte, hatte Charles gesagt.
Um ihr eins auszuwischen, dachte Hannah empört.
»Nicht diese Farbe, Liebe.« Tante Spring wies auf das goldfarbene Garn. »Die hier. Wo haben Sie nur Ihre Gedanken?«
Hannah blinzelte.
»Denken Sie sich nichts.« Tante Spring versetzte ihr einen sachten Knuff in die Seite. »Ich frage eines der Dienstmädchen.«
Hannah ging zu den Webstühlen hinüber.
Falls Dougald die letzten vier Tage glücklich gewesen sein Sollte, dann hatte Hannah davon wenig bemerkt. Er wirkte verhärmt, als fände er keinen Frieden und noch weniger Schlaf.
Hoffentlich traf das zu. Hannahs Ansicht nach sollte er sich elend fühlen. Sie hoffte, ihn plagten Gewissensbisse; jedes Mal, wenn er an sie dachte; jedes Mal, wenn er sie am Frühstückstisch sah; jedes Mal, wenn er sie mit den Tanten sprechen hörte. Doch sie schaffte es nicht, sich etwas vorzumachen. Eigentlich wünschte sie, dass fleischliche Gelüste ihn quälten. Sie hoffte, dass sein Schwanz hart wurde, sobald er sie erblickte.
Der Himmel war Zeuge, sie hatte alles getan, seine primitivsten Instinkte zu wecken. Jede Nacht war sie aufgeblieben und hatte an ihren Kleidern gearbeitet. Die Dekolletés größer geschnitten, die Taille abgenäht, dort eine Rüsche an einen der Unterröcke gesetzt, da eine Spitze an die Wäsche. Tagtäglich sorgte sie dafür, dass er ihren Ausschnitt zu sehen bekam, den Knöchel … ein Lächeln. Doch sie würde ihm niemals zeigen, wie sehr sie litt, wie leer ihr Fleisch sich anfühlte, wie sie sich ängstigte, alleine alt zu werden, ohne einen Ehemann. Einen Liebhaber. Dougald.
Die Schiffchen flogen nur so dahin, während Tante Isabel und Tante Ethel das letzte Stückchen vom Wandteppich der Königin webten.
Die Schultern der alten Damen hingen herunter, die Augen waren gerötet, aber um die Lippen spielte ein entschlossener Zug. Noch zwei Tage, dann würde kurz vor Mittag in ihrem königlichen Eisenbahnwagon Ihre Hoheit eintreffen. Mit Hilfe der Dienstmädchen, die alles besorgten und brachten, was die Tanten benötigten, sowie Hannahs Organisationstalent und tatkräftigem Beistand würde der Teppich dann fertig gestellt sein und in all seiner majestätischen Pracht unten in der Halle hängen.
Hannah durfte zufrieden sein, ihren Teil beigetragen zu haben – auch wenn sie sich zwischenzeitlich immer wieder genießerisch ausmalte, wie sie Dougald am besten quälen konnte. Sie musste sich beeilen. Ihr blieb wenig Zeit, bevor sie Raeburn Castle zu verlassen hatte – wenig Zeit, bevor sie die Königin wieder sah, den Burroughs vorgestellt wurde und ihnen ihre Identität mitteilen würde.
Sie überlegte fieberhaft. Dougald tat gut daran, ihr das Bündel Briefe, das ihre Herkunft belegte, freiwillig auszuhändigen, oder sie würde sich gezwungen sehen … so lange zu bleiben, bis er es tat.
Bitter lachte sie auf.
Tante Ethels Webstuhl wurde langsamer. »Was ist denn so lustig, Liebe?«
Hannah starrte sie an. »Wie?«
Tante Ethel gab ihr ein Teilstück, das noch am Teppich appliziert werden musste. »Liebe, Ihr Stich ist so fein. Minnie hat hier eine gestickte Krone vorgezeichnet, ob Sie das wohl übernehmen möchten?«
»Natürlich, Madam. Dafür bin ich doch da, Ihnen behilflich zu sein.« Hannah nahm das Teil und stach die bereits eingefädelte Nadel hinein.
Dougald würde ihr die Liebesbriefe übergeben, die ihr Vater an ihre Mutter geschrieben hatte. Schließlich hatte er ihr klargemacht, dass
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