Zärtlicher Hinterhalt
starrte Dougald an, wie er auf seinem Stuhl lümmelte, und entfernte sich ein Stück, weil sie ihm sonst tatsächlich eins auf die Ohren hätte geben müssen; aber eine solche Beleidigung hätte er definitiv nicht widerstandslos hingenommen. »Charlotte wird es Pamela erzählt haben.«
»Bei Pamela handelt es sich vermutlich um Lady Kerrich, nicht wahr?«
»Gibt es in ganz England denn keinen, dem du dich nicht anvertraut hast?«, schnaubte sie mit lauter Stimme.
»Außer Lord und Lady Bucknell, Lord und Lady Ruskin sowie Lord und Lady Kerrich kennt, glaube ich, niemand die Wahrheit. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Englands sind das gar nicht so viele«, erläuterte er gelassen die Tatsachen, als ob sie das beruhigen könnte.
Sie marschierte zum Kamin zurück und stützte sich so fest auf die Einfassung, dass ihr der gemeißelte Marmor sein Muster in die Handflächen prägte.
»Es handelt sich aber um meine Freunde.«
»Ein kleiner und loyaler Kreis!«
Ihre einzigen Freunde, vor allem Pamela und Charlotte, die jetzt wussten, dass sie ihnen die bedeutsamste Angelegenheit ihres Lebens verschwiegen hatte … Zweifelsohne waren sie durcheinander und verletzt, dass Hannah ihnen so wenig vertraute. Und … und sie konnte sie nicht einmal mehr um Beistand bitten.
Wie ein Gedankenleser sagte er: »Und wenn du einen Weg fändest, Raeburn Castle zu verlassen – aber ich versichere dir, das wird schwierig –, und dich zu deinen Freundinnen flüchtetest, würdest du einen Keil in ihre Ehen treiben. Das kann doch nicht deine Absicht sein.«
Er hatte natürlich Recht. »Ich hätte dir das schicken sollen. Gute Taten bleiben selten ungestraft.«
»Es war keine gute Tat«, verbesserte er mit ausdrucksloser Miene. »Du wolltest Hohn und Spott mit mir treiben, weil ich dich immer noch nicht gefunden hatte.«
»Nein, das wollte ich nicht.«
»Mach dir selber etwas vor, wenn es sein muss, Hannah. Aber du wusstest, dass das Geld mich auf deine Fährte bringen würde. Ich hätte dich in jedem Fall gefunden, auch ohne die Hilfe deiner Freunde.« Er lehnte sich zurück und presste die Fingerspitzen gegeneinander. »Wie hätte ich dich übersehen können? Du hast eine Schule gegründet. Eine überaus erfolgreiche Schule für Gouvernanten, Lehrerinnen und Gesellschafterinnen!«
»Ich hatte gehofft, du hättest die Suche nach mir aufgegeben.«
»Schon wieder eine Lüge. Du wusstest, dass ich nie leicht aufgebe.«
Möglicherweise glaubte sie wirklich, dass er sie früher oder später finden würde. Und vielleicht war sie in der Tiefe ihres Herzens der Meinung, dass es leichter sein würde für sie, wenn nicht sie die Initiative ergreifen musste. Ihn zu finden, ihn zu kontaktieren, ihre Flucht und ihr langes Verschwinden zu rechtfertigen, wo sie doch gewusst hatte, dass sie beide noch all die Probleme zu bereinigen hatten, die ihre damalige Heirat mit sich brachte. Der bloße Gedanke an diese Unterredung hatte ihr eine Gänsehaut verursacht. Aber, nun ja. Vielleicht hatte sie tatsächlich angenommen, ohne Vorwarnung mit ihm konfrontiert zu werden erspare ihr wenigstens verfrühtes Kopfzerbrechen. Aber er … er hätte ihr das nicht auf eine so widerwärtige Art hinzureiben brauchen.
»Ich sehe jetzt durchaus ein, dass ich einen Fehler gemacht habe«, sagte sie kühl.
»Allerdings viel zu spät. Du bist so erfolgreich untergetaucht, dass ich acht Jahre lang nicht die geringste Spur entdecken konnte.« Er zeigte ihr mit den Fingern die Zahl. »Acht Jahre, Hannah, und ich habe nicht einmal gewusst, ob du am Leben bist!«
Ach habe dir geschrieben!«
»Einmal. Einen einzigen Brief habe ich aus London bekommen, in dem du mir mitteiltest, dass es dir gut ginge und ich mich nicht zu sorgen bräuchte.«
»Wenn ich dir häufiger geschrieben hätte, hättest du mich aufgespürt.«
»Du bist meine Frau! Natürlich wäre mir das gelungen. Aber so musste ich bluten und einen Privatdetektiv bezahlen, der sich auf die Suche machte. Weißt du eigentlich, wie oft ich nach London geeilt bin, in der verzweifelten Hoffnung, du seiest gefunden, um dann schrecklich enttäuscht zu werden?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Neunmal.« Er hob noch einen Finger, und Hannah staunte, wie ruhig seine Hände waren. »Neunmal bin ich mit der Eisenbahn in die Stadt gefahren. Ich habe die Freudenhäuser nach dir abgeklappert, aus Furcht, du seiest zu einem grässlichen Leben gezwungen. In meiner Not bin ich sogar auf die Idee verfallen, du seiest die
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