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Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Titel: Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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»Versuchen Sie, den Aufzug so weit nach oben zu fahren, dass er zwischen Kabine und Decke eingeschlossen ist.«
    »Sie werden den Makak verletzen«, rief der Diplomat.
    »Das kann ich nur hoffen«, sagte Harry, verärgert über die Störung. Er wollte nicht mit den Bergungsmodalitäten eines aufmüpfigen Makaks behelligt werden. Er wollte mit Poppy Hathaway allein sein.
    In diesem Augenblick traf William Cullip mit der Dreyse ein, die er mit äußerster Vorsicht vor sich hertrug. »Mr Rutledge, hier ist sie!«
    »Danke.« Harry wollte gerade nach der Waffe greifen, da bäumte sich Poppy in einem Anfall von Panik zurück, so dass ihre Schultern gegen Harrys Brust stießen. Harry packte sie an den Armen und spürte, wie ein Angstschauder durch ihren Körper zuckte. Vorsichtig wandte er ihr Gesicht dem seinen zu. Ihr Antlitz war kreidebleich, der Blick ins Leere gerichtet. »Was ist mit Ihnen?«, erkundigte er sich mit sanfter Stimme und drückte sie fest an sich. »Das Gewehr? Sie fürchten sich vor Waffen?«
    Sie nickte und rang nach Atem.
    Harry war erschüttert über die heftige Reaktion, die ihre Verletzlichkeit bei ihm hervorrief, über den Beschützerinstinkt, der wie eine Flutwelle über ihn kam. Sie zitterte und wand sich in seinen Armen, eine Hand fest gegen seine Brust gedrückt. »Alles ist gut«, flüsterte er. Er konnte sich nicht erinnern, wann zuletzt jemand Trost bei ihm gesucht hatte. Möglicherweise noch nie. Er wollte sie ganz an sich drücken und trösten. Es war ihm, als hätte er es schon immer gewollt, immer darauf gewartet, ohne es zu wissen.
    In demselben sanften Ton murmelte er: »Cullip, das Gewehr wird nicht gebraucht. Bringen Sie es in den Schrank zurück.«
    »Jawohl, Mr Rutledge.«
    Poppy verweilte im Schutz seiner Arme, den Kopf nach vorn gebeugt. Ihr entblößtes Ohr sah so zart aus. Der Duft ihres Parfums reizte ihn. Er wollte jeden Teil ihres Körpers erkunden, sie in den Armen halten, bis sie sich entspannte und an ihn schmiegte. »Alles ist gut«, flüsterte er wieder und malte mit der Handfläche sanfte Kreise auf ihren Rücken. »Die Waffe ist weg. Es tut mir so leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    »Nein, mir tut es leid …« Poppy löste sich aus seinem Griff, und Farbe schoss in ihr bleiches Gesicht. »Eigentlich bin gar nicht ängstlich, es kam nur so überraschend. Es ist schon lange her, da …« Sie bremste sich, machte eine wegwerfende Handbewegung und murmelte: »Ich werde nicht plappern.«
    Harry wollte nicht, dass sie aufhörte. Er fand alles an ihr unendlich interessant, wenn er sich auch nicht erklären konnte, warum. Sie war es einfach.
    »Erzählen Sie es mir«, forderte er sie mit gedämpfter Stimme auf.
    Poppy machte eine hilflose Geste und schenkte ihm ein bitteres Lächeln, wie um deutlich zu machen, dass sie ihn gewarnt hatte. »Als Kind hatte ich einen Lieblingsonkel, Howard, den Bruder meines Vaters. Er hatte weder Frau noch Kinder, so dass er einen Großteil seiner freien Zeit mit uns verbrachte.«
    Ein wehmütiges Lächeln spielte um ihren Mund. »Onkel Howard war sehr geduldig mit mir. Mein Geschwätz trieb jeden zur Raserei, er aber hörte mir zu, als hätte er alle Zeit der Welt. Eines Morgens kam er zu uns zu Besuch, während Vater mit ein paar Männern aus dem Dorf zur Jagd ging. Als sie mit zwei Vögeln zurückkehrten, gingen Onkel Howard und ich ihnen auf dem Feldweg entgegen. Dann aber entlud sich versehentlich ein Gewehr … ich weiß nicht, ob es herunterfiel oder der Mann es nicht sachgemäß trug … ich erinnere mich noch an den Lärm, ein Dröhnen laut wie Donner, und auf meinem Arm spürte ich ein paar heftige Stiche, und einen weiteren auf der Schulter. Ich wandte mich zu Onkel Howard um, um es ihm zu erzählen, da sah ich, wie er langsam zu Boden sank. Er war tödlich verwundet, mich hatten nur ein paar verirrte Schrotkugeln gestreift.«
    Poppy zögerte, ihre Augen glänzten. »Er war blutüberströmt. Ich ging zu ihm und legte seinen Kopf in meine Arme. Ich fragte ihn, was ich tun könne. Und er flüsterte, ich solle immer ein braves Mädchen bleiben, damit wir uns eines Tages im Himmel wieder begegneten.« Sie räusperte sich und seufzte kurz. »Verzeihen Sie. Ich rede immer so schrecklich viel. Ich sollte nicht …«
    »Nein«, fiel ihr Harry ins Wort, übermannt von einem rätselhaften, bisher unbekannten Gefühl. »Ich könnte Ihnen den ganzen Tag zuhören.«
    Sie musste blinzeln, so überraschend war sie aus ihrer Melancholie

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