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Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Titel: Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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der Galerie herunter, wo das Orchester spielte. Der riesige Raum erstrahlte im Licht von acht Kronleuchtern und wurde vom süßen Duft unzähliger Rosen und anderem Grün erfüllt.
    Die unerbittlichen Fesseln ihres Korsetts ermöglichten es Poppy kaum, ihre Lungen mit Luft zu füllen. »Es ist viel zu warm hier«, bemerkte sie.
    Miss Marks sah die Schweißperlen auf Poppys Gesicht und zog rasch ein Taschentuch hervor. Dann führte sie Poppy zu einem der vielen Bambusrohrstühle an der Wand. »Es ist in der Tat recht warm«, sagte sie. »Ich werde gleich Ihren Bruder oder Mr Rohan ausfindig machen, damit er Sie hinaus an die frische Luft bringt. Doch zuerst muss ich mich um Beatrix kümmern.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Poppy, als sie sah, dass Beatrix bereits von zwei Männern umgeben war, die sich erhofften, ihre Namen auf Beatrix Tanzkarte eintragen zu können. Ihre jüngere Schwester konnte so ungezwungen mit Männern umgehen, wie es ihr, Poppy, niemals gelingen würde. Offenbar verehrten sie Beatrix, weil sie sie genauso behandelte wie ihre wilden Tiere: mit sanftem Großmut und geduldigem Interesse.
    Während Miss Marks Beatrix Tanzkarte überwachte, lehnte sich Poppy auf ihrem Stuhl zurück und konzentrierte sich auf ihre Atmung in dem eisernen Korsett. Ein unglücklicher Zufall wollte es, dass sie von diesem Platz aus eine Unterhaltung mithören konnte, die auf der anderen Seite einer mit Blumengirlanden behängten Säule stattfand.
    Drei junge Frauen unterhielten sich mit gedämpfter Stimme, die von selbstgefälliger Genugtuung getränkt war.
    »Natürlich will Bayning sie nicht«, sagte eines der Mädchen. »Sie ist hübsch, das gebe ich zu, aber so ungeschickt in gesellschaftlicher Hinsicht. Ein befreundeter Gentleman erzählte mir einmal, er habe bei einer Vernissage in der Royal Academy versucht, sich mit ihr zu unterhalten, und sie plapperte ununterbrochen über ein geradezu lächerliches Thema … etwas über ein längst vergangenes Ballonexperiment, bei dem sie vor den Augen König Ludwigs dem Soundsovielten ein Schaf in die Luft haben aufsteigen lassen … könnt ihr euch das vorstellen?«
    »Ludwig dem Sechzehnten«, flüsterte Poppy.
    »Aber was hättet ihr auch erwartet?«, ertönte eine andere Stimme. »So eine seltsame Familie! Der Einzige, der gesellschaftlich etwas taugt, ist Lord Ramsay, und der ist ein ziemlicher Lebemann.«
    »Ein Taugenichts«, stimmte das erste Mädchen zu.
    War Poppy eben noch der Schweiß auf der Stirn gestanden, so lief es ihr nun eiskalt über den Rücken. Sie schloss die Augen und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Es war ein Fehler gewesen, auf dem Ball zu erscheinen. Sie versuchte allen etwas vorzumachen: dass sie sich nicht um Michael Bayning scherte. Dass ihr Herz nicht gebrochen war. Obwohl das alles gar nicht stimmte. In London war alles nur Schein … War es denn wirklich so unverzeihlich, seine wahren Gefühle zu zeigen?
    Anscheinend schon.
    Sie saß still da, die behandschuhten Finger in ihrem Schoß verschränkt, bis sie plötzlich einer Unruhe gewahr wurde, die von der Menschenmenge am Haupteingang des Ballsaales ausging. Offenbar war soeben eine wichtige Persönlichkeit eingetroffen, ein Fürst vielleicht, eine militärische Berühmtheit oder ein einflussreicher Politiker.
    »Wer ist das?«, wollte eines der Mädchen hinter der Säule wissen.
    »Ein neues Gesicht«, sagte die andere.
    »Sehr gut aussehend.«
    »Blendend«, bekräftigte ihre Gefährtin. »Er muss ein wichtiger Mann sein – sonst würde er nicht so einen Wirbel auslösen.«
    Die Mädchen kicherten. »Und Lady Norbury würde nicht so nervös umhertänzeln. Seht nur, wie ihre Wangen glühen!«
    Neugierig beugte sich Poppy vor, um selbst einen Blick auf den Neuankömmling zu erhaschen. Doch alles, was sie sah, war ein dunkler Haarschopf, der die anderen Männer ringsum überragte. Er bahnte sich seinen Weg in den Ballsaal und unterhielt sich dabei locker mit seinen Kameraden, während die stämmige, juwelengeschmückte und strahlende Lady Norbury an seinem Arm hing.
    Als Poppy erkannte, wer er war, setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl zurück.
    Harry Rutledge.
    Sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum er hier war, und noch viel weniger, warum das ein Lächeln auf ihr Gesicht zauberte.
    Wahrscheinlich, weil sie unweigerlich an die letzte Begegnung mit ihm denken musste, als er in seiner weißen Fechtbekleidung versucht hatte, einen ungezogenen Affen aufzuspießen.

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