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Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight

Titel: Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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»Ich bin Hotelier. Wie gefährlich könnte ich schon sein?«
    Poppy blickte ihn zweifelnd an. So leicht ließ sie sich nicht täuschen. »Ich mag vielleicht gutgläubig sein, Harry, aber ich bin nicht dumm. Sie kennen die Gerüchte … nun, Sie sind sich Ihres Rufs sehr wohl bewusst. Sind Sie so skrupellos, wie alle sagen?«
    Harry schwieg eine Weile, den Blick starr auf einen Blütentrieb in der Ferne gerichtet. Die Sonne warf ihr Licht durch die verzweigten Äste und streute die Schatten tausender Blätter über das Paar im Rosengang.
    Schließlich blickte er auf und sah sie unverwandt an, und seine Augen waren grüner als die von der Sonne beschienenen Rosenblätter. »Ich bin kein Gentleman«, sagte er. »Weder durch Geburt noch vom Wesen her. Sehr wenige Männer können es sich leisten, ehrenhaft zu sein, wenn sie im Leben Erfolg haben wollen. Ich lüge nicht, aber ich erzähle selten alles, was ich weiß. Ich bin weder religiös noch spirituell. Ich handle in meinem eigenen Interesse, und ich mache keinen Hehl daraus. Jedoch halte ich meine Versprechen, betrüge nicht und zahle meine Schulden.«
    Er hielt inne, holte aus seiner Manteltasche ein Taschenmesser hervor und schnitt eine wunderbar blühende Rose ab. Nachdem er den Stiel sorgfältig abgetrennt hatte, machte er sich daran, die Stachel mit der kleinen scharfen Klinge zu entfernen. »Ich würde gegenüber einer Frau oder einem Schwächeren niemals Gewalt anwenden. Ich rauche nicht, schnupfe nicht, und ich kaue keinen Tabak. Ich trinke in Maßen. Ich kann nicht gut schlafen. Und ich kann Ihnen eine Uhr bauen, wenn Sie möchten.« Als er den letzten Stachel entfernt hatte, steckte er das Messer in seine Tasche zurück und reichte er ihr die Rose.
    Poppy widmete ihre Aufmerksamkeit der samtigen rosafarbenen Blüte und fuhr mit den Fingerspitzen über den zarten Saum der Blütenblätter.
    »Mein vollständiger Name ist Jay Harry Rutledge«, hörte sie ihn sagen. »Meine Mutter ist die Einzige, die mich jemals Jay genannt hat, weshalb ich den Namen nicht leiden kann. Sie hat mich und meinen Vater verlassen, als ich noch sehr klein war. Ich habe sie nie wiedergesehen.«
    Poppy sah ihn mit großen Augen an. Sie begriff, dass er über dieses Thema nur sehr selten oder gar nicht sprach. »Das tut mir leid«, sagte sie sanft, achtete aber darauf, sich kein Mitleid anmerken zu lassen.
    Er zuckte mit den Schultern, als mache es ihm nichts aus. »Das ist lange her. Ich kann mich kaum an sie erinnern.«
    »Warum kamen Sie nach England?«
    Er dachte einen Moment nach. »Ich wollte mich im Hotelgeschäft versuchen. Und ganz gleich, ob ich Erfolg haben oder scheitern würde, ich wollte in jedem Fall weit weg von meinem Vater sein.«
    Poppy konnte die Bedeutung, die hinter diesen kargen Worten steckte, nur erahnen. »Das ist nicht die ganze Geschichte«, sagte sie.
    Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. »Nein.«
    Sie blickte wieder auf die Rose und spürte, wie sie errötete. »Möchten Sie … hätten Sie … gerne Kinder?«
    »Ja. Hoffentlich mehr als eins. Ich war nicht gerne ein Einzelkind.«
    »Würden Sie sie im Hotel aufwachsen lassen?«
    »Natürlich.«
    »Halten Sie das für eine angemessene Umgebung?«
    »Sie würden von allem nur das Beste bekommen. Bildung. Reisen. Unterricht in allen Bereichen, die sie interessieren.«
    Poppy versuchte sich vorzustellen, ihre Kinder in einem Hotel großzuziehen. Könnte sie sich dort jemals zu Hause fühlen? Cam hatte ihr einmal erzählt, die Roma seien auf der ganzen Welt zu Hause. Solange sie mit der Familie zusammenlebten, waren sie zu Hause. Sie sah Harry an und fragte sich, wie es wohl wäre, mit ihm ein vertrautes Eheleben zu führen. Er wirkte so selbstgenügsam und unnahbar. Ihr fiel es schwer sich auszumalen, wie er all die alltäglichen Dinge verrichtete. Wie er sich rasierte oder das Haar nachschneiden ließ. Oder wie er mit einer Grippe im Bett lag.
    »Würden Sie sich an Ihre Eheversprechen halten?«, fragte sie.
    Harry hielt ihrem Blick stand. »Anderenfalls würde ich sie nicht geben.«
    Poppy sah ein, dass die Vorbehalte ihrer Familie gegen ein Gespräch mit Harry absolut gerechtfertigt waren.
    Er war einfach zu überzeugend und unwiderstehlich, und sie begann ernsthaft darüber nachzudenken, ob sie ihn nicht doch heiraten sollte.
    Ihre Märchenträume müsste sie natürlich beiseiteschieben, wenn sie sich darauf einließ, einen Mann zu heiraten, den sie weder liebte noch besonders gut kannte.

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