Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight
ebenfalls in seine Lektüre.
Schweigen erfüllte den Raum. Nur das Rascheln des hauchdünnen Zeitungspapiers störte die Stille.
Das Frühstück wurde serviert, und zwei Hausmädchen deckten den Tisch mit Tellern, Besteck und Kristallgläsern.
Harry sah, dass Poppy Crumpets bestellt hatte, deren flache, löchrige Oberfläche verlockend dampfte. Er widmete sich seinem Frühstück, pochierten Eiern auf Toast, und schnitt in den festen gelben Dotter, der sein weiches Inneres über die knusprige Toastscheibe goss.
»Du musst nicht so früh aufstehen, wenn du nicht willst«, sagte er und streute eine Prise Salz über die Eier. »Nicht wenige Damen in London schlafen bis mittags.«
»Ich mag es aufzustehen, wenn der Tag beginnt.«
»Wie eine gute Bauersfrau«, bemerkte Harry und lächelte ihr kurz zu.
Aber Poppy reagierte nicht auf die Anspielung, sondern konzentrierte sich lieber darauf, Honig auf ihre Crumpets zu träufeln.
Harry hielt inne, die Gabel schwebte auf halbem Weg zwischen ihm und seinem Teller. Er war fasziniert von dem Anblick ihrer zarten Finger, die den Honigstab wirbeln ließen und jedes Löchlein des Crumpets sorgfältig mit der zähflüssigen bernsteinfarbenen Masse füllten. Als ihm bewusstwurde, dass er sie anstarrte, biss er einmal kräftig in seinen Toast. Poppy legte den Honigstab in ein kleines silbernes Gefäß zurück. Dabei entdeckte sie einen kleinen Honigklecks auf ihrer Daumenspitze. Sie führte den Daumen an ihre Lippen, um ihn abzulecken.
Harry verschluckte sich, griff nach seiner Tasse und trank einen Schluck Tee. Er zuckte zusammen und fluchte, als er sich an dem heißen Getränk die Zunge verbrannte.
Poppy warf ihm einen befremdeten Blick zu. »Liegt etwas vor?«
Nichts lag vor. Aber seiner Frau beim Frühstücken zuzusehen war das erotischste Schauspiel, das er je gesehen hatte. »Nichts Besonderes«, erwiderte er mit kratziger Stimme. »Der Tee ist heiß.«
Als er es wagte, noch einmal zu Poppy hinüberzublicken, aß sie gerade eine frische Erdbeere, die sie am Stiel festhielt. Sie spitzte ihre vollen Lippen und biss geschickt in das reife Fruchtfleisch. Gütiger Gott. Er rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, während all das ungestillte Verlangen der vergangenen Nacht mit ganzer Kraft wieder in ihm hochstieg. Poppy aß noch zwei weitere Erdbeeren, genüsslich knabbernd, und Harry versuchte sie zu ignorieren. Hitze staute sich unter seiner Kleidung, und er holte ein Taschentuch hervor, um sich die Stirn abzutupfen.
Poppy führte ein mit Honig getränktes Stück Crumpet an ihren Mund und sah ihn verblüfft an. »Geht es dir gut?«
»Es ist eindeutig zu warm hier«, meinte Harry gereizt, während grelle Gedanken durch seinen Kopf jagten. Gedanken an Honig, zarte weibliche Haut und feuchtes Rosa …
Es klopfte an der Tür.
»Herein«, rief Harry brüsk, dankbar für jede Art von Ablenkung.
Jake Valentine betrat das Apartment zurückhaltender als sonst. Er wirkte ein wenig überrascht, als er Poppy am Frühstückstisch sitzen sah. Harry nahm an, auch seine Angestellten müssten sich erst an die neuen Umstände gewöhnen.
»Guten Morgen«, grüßte Valentine, unsicher, ob er sich nur an Harry oder auch an sie wenden sollte.
Sie löste das Problem, indem sie ihm ein aufrichtiges Lächeln schenkte. »Guten Morgen, Mr Valentine. Ich hoffe, Sie haben heute keine flüchtigen Affen im Hotel herumlaufen?«
Valentine grinste. »Nicht, dass ich wüsste, Mrs Rutledge. Aber der Tag ist noch jung.«
Harry wurde übermannt von einem völlig neuen Gefühl. Ein giftiger Groll kroch durch seinen Körper. War es … Eifersucht? Ja, das musste es wohl sein. Er versuchte, das Gefühl zu unterdrücken, doch es hatte sich bereits in seiner Magengrube festgesetzt. Er wollte, dass Poppy ihn auf ebendiese Weise anlächelte. Er wollte ihren Humor, ihren Charme, ihre Aufmerksamkeit.
Harry rührte ein Stück Zucker in seinen Tee und sagte mit gleichgültiger Stimme: »Berichte mir von der Personalversammlung.«
»Tatsächlich gibt es nichts zu berichten.« Valentine reichte ihm einen Papierstapel. »Der Sommelier lässt fragen, ob Sie eine Liste von Weinen absegnen könnten. Und Mrs Pennywhistle brachte das Thema auf, dass immer wieder Geschirr und Besteck verschwindet, wenn Gäste ihr Essen aufs Zimmer bekommen.«
Harrys Augen verengten sich. »Im Speisesaal gibt es das Problem nicht?«
»Nein, Sir. Wie es scheint, tendieren die wenigsten Gäste dazu, das Besteck direkt aus dem
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