Zärtlicher Sturm
hat ihm überhaupt nicht gefallen.«
»Hat er das gesagt?«
Billy grinste. »Nein, aber ich habe mir ausgerechnet,
daß es wohl das ist, was ihn grün ärgert. Gesagt hat er so gut wie gar nichts. Du weißt ja, wie er ist, wenn er plötzlich ganz still und verschlossen wird. Dann ist es leichter, mit einem Maultier zu reden.«
Sharisse blieb sitzen, bis die Herde sich auf den Weg gemacht hatte. War Lucas jetzt wütend? Als er auf sie zukam und ihr die Hand reichte, um ihr auf sein Pferd zu helfen, erinnerte sein Gesichtsausdruck sie an Slade, und das gefiel ihr überhaupt nicht. Sie fühlte sich gezwungen, etwas zu sagen.
»Es tut mir leid, daß er nicht gewartet hat, Lucas.«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. »So, wirklich?«
Sie richtete sich steif auf. »Ich bin keine Heuchlerin. Mir tut es kein bißchen leid, daß ich ihn nicht wiederzusehen brauche. Aber wenn er meinetwegen wieder gegangen ist, dann tut es mir leid, daß ich dich davon abgehalten habe, ihn zu sehen. Ich meine, es tut mir leid, daß du nicht hierhergekommen bist, um ihn zu sehen.«
»Ist er denn deinetwegen gegangen, Sharisse?«
»Woher soll ich das denn wissen?« fragte sie fassungslos.
»Vielleicht hast du es unterlassen, mir alles zu erzählen, was sich zwischen euch beiden abgespielt hat?«
Ihr wurde äußerst unbehaglich. »Ich habe dir gesagt, daß er mich haben wollte. Und er … er hat mir ganz den Eindruck gemacht, als wolle er sich mit dir um mich streiten. Vielleicht hat er es sich anders überlegt und ist gegangen, damit ihr beiden euch nicht doch noch in die Haare geratet.«
»Mein Bruder? Sich wegen einer Frau mit mir in die Haare geraten? Was, zum Teufel, hast du getan, um ihn dazu zu bringen, daß er dich so unbedingt haben wollte?«
»Wie kannst du es wagen, mich zu beschuldigen? Ich bin hier schließlich nicht diejenige, die etwas falsch gemacht hat.«
Ihre dunklen Amethystaugen blitzten zornig auf, und sie brauchte ihre gesamte Selbstbeherrschung, um ihm keine Ohrfeige zu geben. Doch dieser Ausbruch ungezügelter Wut belustigte Lucas, und er schlang seine Arme um sie und zog ihren widerstrebenden Körper dicht an sich.
»Schon gut«, räumte er ein. »Ich schätze, du brauchst gar nichts weiter zu tun. Ich weiß, wie leicht es ist, sich von dir mitreißen zu lassen, Sharisse.«
Es überraschte sie, wie abrupt sein Verhalten umschlagen konnte, fast so, als seien seine Anschuldigungen geheuchelt gewesen, als hätte er sie nur ganz bewußt provozieren wollen. Sie war äußerst verwirrt.
»Lucas … sollten wir jetzt nicht losreiten?«
»Ich habe dir doch schon gesagt, daß Billy allein mit den Pferden zurechtkommt, wenn er sich erst auf den Weg gemacht hat. Wir haben keine Eile.«
Die rauchige Klangfarbe seiner Stimme war ihr eine Warnung. Sie wußte, woran er dachte. Der Gedanke, sich am hellichten Tage von ihm lieben zu lassen, war so ungeheuerlich, daß sie es sich nicht gestatten durfte, es sich auch nur vorzustellen. Und doch preßte er sie auf eine Weise an sich, die sie aufwühlte. Schließlich fand sie ihre Stimme wieder.
»Lucas? Sollten wir nicht … losreiten?«
Er seufzte und ließ sie los. »Ich fürchte, du machst dir Sorgen um deinen Kater?«
Sharisse war erstaunt über diese Frage, doch sie stürzte sich dankbar auf diesen Vorwand. »Ja, ich habe ihn noch nie so lange allein gelassen.«
»Dann komm jetzt. Es ist ein langer Ritt. Und man kann es ja nie so genau wissen. Vielleicht ist Slade auf die Ranch zurückgekehrt und erwartet mich dort.«
Er hob sie vor sich auf das Pferd, um sie im Gleichgewicht halten zu können, nicht so wie Slade, der sie so vor sich hingesetzt hatte, daß er sie berühren und verängstigen konnte. Es war ja eine solche Erleichterung, mit Lucas nach Hause zu reiten! Und trotz allem, ja, es war wirklich so, erschien ihr das kleine Häuschen allmählich als ein Zuhause.
Sie ritten schweigend los, immer noch ein wenig auf der Hut voreinander, doch das änderte nichts daran, daß beide die Nähe und die Gesellschaft des anderen genüßlich auskosteten.
21
Sharisse hielt das Baby in den Armen und wiegte es sachte. Dieser Säugling mit dem dichten schwarzen Haar auf dem Kopf und mit dem winzigen, makellos geschnittenen Gesicht faszinierte sie grenzenlos. Der Junge war in der Nacht, in der sie aus den Bergen zurückgekehrt waren, geboren worden, als hätte Willow darauf gewartet, daß ihr Mann wieder nach Hause kam.
Billy Wolf war ihr jedoch während der
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