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Zaertliches Duell

Zaertliches Duell

Titel: Zaertliches Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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war, als er seinen Herrn im Laternenlichte die Straße heraufschlendern sah, offensichtlich Hals über Kopf ins Haus zurückgerannt, jedenfalls schneller, als es einem Mann seines Körperumfangs zustand. Er zeigte einen Anflug von Gekränktheit, als er den seidengefütterten Mantel, den Zylinder und den eleganten Stock übernahm. Zweifellos fühlte er sich ungerecht behandelt, weil sein Gebieter den Ball um etliche Stunden früher, als der Wagen bestellt war, verlassen hatte und dann direkt nach Hause gegangen war, anstatt bei Watier’s vorbeizuschauen, wie er es sonst zu tun pflegte.
    Er schickte Criddon ins Bett und begab sich dann langsam zu dem Seitentischchen, auf dem ihn ein Brief, der offenbar während des Abends abgegeben worden war, erwartete. Als er das Siegel erbrach und den Bogen entfaltete, erschien sein Butler aus den unteren häuslichen Regionen, doch er winkte ihm ab, durch seine Gegenwart genauso irritiert, wie es bei seiner Abwesenheit der Fall gewesen wäre. Er warf den Brief beiseite und öffnete die Tür zum Speisezimmer. Der Raum lag in völliger Dunkelheit, ein Umstand, der ihn beinahe bewog, den Butler zurückzurufen. Es war seine Marotte, daß in jedem Zimmer seines großen Hauses, das er möglicherweise zu betreten wünschte, die Lichter brennen sollten, und seine Bedienten wußten das sehr gut. Doch er rief Radstock nicht, denn er nahm plötzlich den scharfen Geruch von Kerzen wahr, die man eben erst ausgeblasen hatte, und gewann den unbestimmten Eindruck, nicht allein im Zimmer zu sein. Der Ausdruck von Langeweile wich aus seinem Gesicht: Die Begegnung mit einem Einbrecher mochte die Monotonie seines Daseins ändern, und es galt den Störenfried zu überraschen, der mit einem jäh in Erscheinung tretenden Dandy in Frack und seidener Kniehose zweifellos leichtes Spiel zu haben glaubte. Er schritt behutsam in die Halle zurück und nahm einen schweren Kerzenleuchter von einem der Tische. Damit bewaffnet, verharrte er einen Moment lang auf der Schwelle des Eßzimmers und starrte angestrengt in die Dunkelheit. Die Kerzen in seiner Hand flackerten und zeigten ihm nur die Möbel und die unsteten Schatten, die diese warfen. Er sah zu den Fenstern hin, und es schien ihm, als bauschte sich einer der Brokatvorhänge leicht. Er setzte den Leuchter ab, trat vorsichtig ans Fenster und warf die Vorhänge zurück.
    Gleichzeitig sprang er außer Reichweite und ballte entschlossen die Fäuste. Doch jählings ließ er sie sinken. Keinen Einbrecher traf sein erstaunter Blick, sondern ein Mädchen, das sich verschüchtert ans Fenster preßte. Die Kapuze ihres Mantels war von den seidigen Locken zurückgeglitten, und ein verschrecktes Gesicht mit weitaufgerissenen dunklen Augen starrte ihn an.
    Einen Augenblick lang überlegte er, ob Criddon etwa sein Liebchen im Eßzimmer vorborgen hatte, doch sein kritischer Blick belehrte ihn, daß der Mantel des Mädchens aus Samt war und das Kleid aus besticktem Musselin die strenge, aber kostspielige Gewandung einer Hofdebütantin verriet. Sein Erstaunen wuchs. Als begehrter Junggeselle war er daran gewöhnt, daß man ihm nachstellte; er vermochte jede auf seinem Weg errichtete Falle zu erkennen und ihr auszuweichen. Doch dies hier schien alles zu übertreffen. Zorn stieg in seine Augen, er dachte, er müsse sich in der Einschätzung dieses Mädchens geirrt haben: Ein munteres Flittchen war in sein Haus eingedrungen.
    Dann sprach sie, und ihre Worte bestätigten seinen ersten Eindruck. »Oh, ich bitte um Verzeihung. Bitte vergeben Sie mir, Sir!« sagte sie mit einer wohlklingenden, von Reue erfüllten Stimme.
    Sein Zorn wandelte sich in Belustigung. »Was, Madam, wenn ich fragen darf, haben Sie in meinem Haus verloren?« erkundigte er sich.
    Sie ließ den Kopf hängen. »Sie müssen sicher Arges von mir denken.«
    »Nun ja.«
    »Die Tür stand offen, und so – so lief ich herein«, erklärte sie. »Wissen Sie, da – da war ein Mann, der mir folgte.«
    »Wenn Sie zu dieser Stunde durch die Straßen Londons spazieren müssen, kann ich nur hoffen, daß es Ihr Bedienter war, der Ihnen folgte.«
    »Aber nein. Niemand weiß, daß ich nicht zu Bett gegangen bin. Mein Auftrag ist ganz geheim. Und ich hatte nicht die Absicht, spazierenzugehen, doch die Droschke brachte mich zu einem falschen Haus – außerdem dürfte ich leider dem Kutscher die falsche Richtung angegeben haben, und er war fort, ehe ich meinen Irrtum bemerkte. Der Bediente sagte mir, es sei nur einen Sprung

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