Zaertliches Duell
der Hand hielt. »Ich kann das ebenso gut blasen wie du!«
Um ihre Behauptung zu beweisen, hob sie es an die Lippen und erzeugte einen ohrenzerreißenden Ton.
»Das sollte sie aufschrecken!« bemerkte der Lord. »Ach, mein Gott, verdammt –!«
Diesen verzweifelten Ausbruch rief der plötzlich größer werdende Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen hervor; anstatt das Karriol vorbeizulassen, trieben die Postburschen die Pferde an. »Halt dich fest«, rief der Lord und setzte ihnen nach.
»Iver, um Himmels willen –!« stieß Miss Tresilian hervor, als das Karriol beängstigend hin und her schwankte.
Er beachtete sie nicht; und ein Blick auf sein Gesicht zeigte ihr, daß ihr Vorschlag, hinter der Kutsche herzufahren, bis die Flüchtenden die Torheit ihres Versuches einsähen, auf taube Ohren stoßen würde. Dieser offenkundige Trotz hatte ihn in Wut versetzt; er würde die Kutsche bei der ersten sich bietenden Gelegenheit überholen.
Krank vor Angst, starrte Miss Tresilian auf die Straße und versuchte nicht daran zu denken, was geschehen würde, wenn ihnen hinter einer Kurve ein Fahrzeug entgegenkäme. Lord Iver war nach rechts ausgeschwenkt; er versuchte zwar noch nicht zu überholen, war aber offensichtlich bereit, seinen Pferden die Zügel zu geben. Die Straße war eng, und die Kutsche blieb beharrlich in der Mitte. Sie schaukelten um eine weitere Kurve, und Miss Tresilian sah ein gerades Straßenstück vor sich. Es war etwas breiter, aber nicht breit genug, fand sie. Dann sah sie, wie Lord Iver die Hände senkte, und schloß die Augen, überzeugt, daß ihre letzte Stunde geschlagen hatte. Starr vor Angst erwartete sie den unvermeidlichen Zusammenstoß.
»Braves Mädchen!« sagte Seine Lordschaft anerkennend.
Sie riß die Augen auf. »Willst du damit sagen, daß du es geschafft hast?« stammelte sie.
»Natürlich! Warst du vielleicht besorgt, ich würde die Kutsche rammen?« Er blickte über die Schulter zurück, sah, daß die Postkutscher ihre Pferde gezügelt und in Trab versetzt hatten, und verlangsamte sein eigenes Gespann. Nach einer weiteren Minute hatte er es zum Stehen gebracht und stellte sich quer zur Straße, um eine Barriere zu schaffen. Er übergab Miss Tresilian die Zügel, und als die Kutsche näher kam, sprang er ab und ging auf sie zu.
Die Postburschen blickten ihn ängstlich an, aber er zollte ihnen keine Aufmerksamkeit. Er hob die Hand, um die Tür der Kutsche zu öffnen. Bevor er noch die Klinke packen konnte, wurde die Tür von innen aufgerissen, ein hübscher Junge sprang heraus, ohne sich mit dem Herunterlassen der Treppe aufzuhalten, und rief mit einer Stimme, aus der spontane Reue sprach: »Ich bitte um Pardon, Sir, ich wollte nicht – zumindest – Ich – eh, bei Jupiter, Sir, wie Sie uns überholt haben! Das war das tollste Stück, das ich jemals erlebt habe! Aber ich sehe, Sie sind sehr zornig!«
Seine Lordschaft war wie vom Donner gerührt, doch sein Gesichtsausdruck schien in der Tat beängstigend. Der unbekannte Jüngling sagte gepreßt: »Wir hätten das nicht tun dürfen – es tut mir wirklich schrecklich leid! Wir machten bloß Spaß, das heißt – Nun, ich nehme an, Sie wissen, wie das ist, Sir, wenn man in guter Laune ist und – und –« Seine Stimme klang immer unglücklicher und leiser, denn er sah keinerlei Verständnis in den Augen, die ihn durchbohrten.
In diesem Augenblick wurden sie unterbrochen. Ein junges Fräulein in der bescheidenen Kleidung, die einem Schulmädchen geziemt, lugte aus der Kutsche und sagte mit einer bestrickenden Mischung aus Reue und Übermut: »Es war alles meine Schuld! Weil ich nicht in Stamford bleiben wollte, und so fuhren wir weiter, weil ich seit einem Jahr nicht mehr zu Hause war, und ich hätte kein Auge zutun können, und es ist nicht mehr sehr weit! Aber als wir in Greetham die Pferde wechselten, sagte Jack, daß es dunkel werde, und Papa würde sagen, wir hätten nicht weiterfahren sollen, aber ich sagte, wir würden Grantham leicht erreichen, wenn wir rasch fahren, und es wäre eine große Überraschung für alle, denn sie erwarten uns nicht vor morgen. Also sagte Jack, ›gut‹, aber alle Leute werden glauben, wir seien ausgerissen und auf dem Weg nach Gretna Green, was uns natürlich riesig amüsierte! Und das brachte uns auf die Idee!«
»Ich muß Ihnen erklären, daß dies meine Schwester ist«, unterbrach der Jüngling, bestrebt, die wirre Geschichte etwas zu klären. »Sie war im Internat, wissen Sie.«
»Ja,
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