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Zaertliches Duell

Zaertliches Duell

Titel: Zaertliches Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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zur Seite, lächelte seiner Gefährtin freundlich zu und sagte mit erstaunlicher Klarheit: »Ich bilde mir ein, ich werde das alles noch bereuen, aber ich bin schrecklich betrunken, meine Liebe – entsetzlich betrunken.«
    »Ja«, sagte Miss Morland, »das weiß ich. Es hat aber nichts zu bedeuten. Ich bin daran gewöhnt.«
    Das war das Ende ihrer Unterredung. Der Marquis schloß die Augen und fiel in Schlaf. Miss Morland saß ganz still neben ihm und rang nur von Zeit zu Zeit die Hände in ihrem Schoß.
    Potter’s Bar, Bell Bar, Hatfield zogen vorbei. Miss Morland bezahlte die Mautscheine an den Schlagbäumen mit einigen losen Münzen, die sie in den Taschen des schlafenden Viscount gefunden hatte. Knapp zwei Meilen außerhalb von Hatfield fuhr die Kutsche durch den Weiler Stanborough, und dann begann die lange Steigung von Digswell Hill. Bei der Brickwell-Maut informierte einer der Vorreiter Miss Morland, falls Seine Lordschaft rascher voranzukommen wünsche, müßten die Pferde in Welwyn gewechselt werden. Ein Versuch, den Marquis zu wecken, blieb erfolglos; er stöhnte bloß und schien in noch tieferen Schlaf zu versinken. Miss Morland, die Zeit gehabt hatte, die Überstürztheit dieser Flucht, zu der reiner Zorn sie getrieben hatte, zu überdenken, zögerte einen Augenblick und äußerte dann den Wunsch, zu einer Poststation in Welwyn zu fahren, wo man für den Rest der Nacht ausruhen könnte.
    Wenig später hielt die Kutsche vor dem »Weißen Hirsch«. Der Wirt wurde geweckt, und ein paar schlaftrunkene Hausknechte hoben, noch in den Nachtgewändern, den Marquis aus dem Wagen und trugen ihn in ein Schlafzimmer im ersten Stock.
    Niemand schien über diese seltsame Ankunft in den frühen Morgenstunden besondere Überraschung zu zeigen. Der Marquis, dem Wirt gut bekannt, war unverkennbar betrunken, und dieser Umstand genügte als Erklärung für seine und Miss Morlands Anwesenheit. »Obwohl ich sagen muß«, bemerkte der Wirt, als er wieder zu seiner verschlafenen Gattin zurückkehrte, »ich wußte gar nicht, daß er einer von den schweren Zechbrüdern ist – Carlington nicht. Zügellos ja – sehr zügellos sogar.«
    Der Marquis wachte erst nach neun Uhr auf. Seine ersten Empfindungen waren die äußersten Unbehagens. Sein Kopf schmerzte, und sein Mund war wie ausgetrocknet. Einige Zeit lag er mit geschlossenen Augen da, doch bald darauf, als sein Bewußtsein klarer wurde, bemerkte er, daß er noch völlig angekleidet war. Er öffnete die Augen, starrte mit verschleiertem Blick auf die ungewohnte Umgebung und setzte sich stöhnend im Bett auf, seine Hände an die Schläfen pressend. Er stellte fest, daß er mit Ausnahme seiner Krawatte und seiner glänzenden Schaftstiefel tatsächlich vollständig angekleidet war. Die fürsorglichen Hände, die ihn seiner Krawatte und seiner Stiefel entledigt hatten, waren in ihrem Bestreben, ihn von seinem tadellosen Reisemantel aus Mr. Westons Schneidersalon zu befreien, offenbar gescheitert.
    Nachdem der Marquis sich noch einmal mit verschwommenem Blick im Zimmer umgeschaut hatte, langte er nach dem Klingelzug und zerrte heftig daran.
    Daraufhin erschien der Wirt höchstpersönlich. Carlington, der noch immer seinen schmerzenden Kopf hielt, betrachtete ihn mit ahnungsvollem Mißtrauen und erklärte: »Dein Schurkengesicht habe ich schon einmal gesehen. Wo bin ich?«
    Der Wirt lächelte gewinnend und erwiderte: »Mylord können beruhigt sein, Mylord befinden sich im besten Zimmer des ›Weißen Hirschen‹.«
    »Was für ein ›Weißer Hirsch‹?« begehrte der Marquis gereizt zu wissen. »Ich kenne wenigstens fünfzig ›Weiße Hirschen‹.«
    »Nun, von Welwyn, Mylord.«
    »Welwyn!« stieß Carlington hervor und ließ die Hände sinken. »Was zum Teufel habe ich in Welwyn verloren?«
    Der Gastwirt, der eine sehr aufschlußreiche Unterhaltung mit den beiden Vorreitern gehabt hatte, hielt es für klüger, diese Frage unbeantwortet zu lassen. Er hüstelte und meinte ausweichend, daß er dies nicht sagen könne. Er wartete, ob die Erinnerung seines vornehmen Gastes wiederkehren werde, aber der Marquis sank mit einem neuerlichen Stöhnen zurück in die Kissen und schloß erneut die Augen. Der Wirt hüstelte nochmals und sagte: »Die Lady hat im Extrazimmer Frühstück bestellt, Mylord.«
    Der Marquis öffnete daraufhin die Augen. »Die Lady? Was für eine Lady?« fragte er scharf.
    »Die – die Lady, die Eure Lordschaft begleitet hat«, antwortete der Wirt.
    »Mein Gott!«

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