Zärtlichkeit des Lebens
Imbißwagen mit einem großen Glasfenster, eine Tankstelle mit zwei Zapfsäulen, wo sie blecherne Countrymusik aus einem Kofferradio scheppern hörte, und einen Krämer mit einem großen Holzschild als Reklametafel. Hier parkte Byron das Auto.
»Wir brauchen noch das eine oder andere
…
«
,
meinte er.
Sarah war schon ausgestiegen und schaute sich um.
»Die Stadt liegt ja völlig einsam«, sagte sie, als Byron sich ihr anschloß. »Sieht so aus, als gäbe es sie schon ewig. Die Sonne hat allen Häusern denselben staubiggrauen Farbton verpaßt.«
»Komm mit hinein.« Er nahm sie bei der Hand. »Du solltest nicht so lang in der Sonne stehen.«
Als Byron die Tür aufstieß, quietschte es erst, dann bimmelten Glöckchen. Drinnen verquirlten Ventilatoren die Luft und konnten so einer fauchenden Fensterklimaanlage ein wenig Unterstützung angedeihen lassen. Hinter der Verkaufstheke saß ein nußbrauner, klapperdürrer Mann in mittleren Jahren. Er rauchte eine selbstgedrehte Zigarette und las den Sportteil einer Tageszeitung aus Phoenix. Als er Byron sah, veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
»Na«, sagte er und zog nachdenklich an seiner Zigarette.
»Tag, Deerfoot.« Byron ging zu ihm hinüber.
»Wie lang bleibt ihr?« Diese Frage stellte er, während er den Blick zu Sarah wandern ließ. Sie lächelte, weil sie die widerwillige Zuneigung spürte, die er Byron entgegenbrachte.
Durch eine Rauchwolke beobachtete er sie.
»Ein paar Wochen.« Byron registrierte die wortlose Kommunikation zwischen seiner Frau und Deerfoot, sagte aber nichts. »Wir werden ein paar Sachen brauchen.«
Deerfoot kratzte sich an der Oberlippe und setzte sich bequemer auf seinem Hocker zurecht. »Du weißt ja, wo alles steht«, meinte er. »Hat sich nichts verändert.«
Sarah wartete, bis Byron außer Hörweite war, dann ging sie zur Theke. »Haben Sie auch Erdnußbutterkekse?« fragte sie mit gedämpfter Stimme. »Ich bin am Verhungern.«
»Dritter Gang hinunter, auf der rechten Seite, oberstes Regal.«
Sie zwinkerte ihm zu. »Auch als Großpackung?«
Sein Grinsen empfand sie als endgültigen Sieg. »Mhm.«
»Ich heiße Sarah«, sagte sie und streckte ihm die Hand hin.
Deerfoot stand auf und wischte sich die Hand am Hosenboden ab, ehe er einschlug. »John Deerfoot, Madam.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Deerfoot.«
Der Laden war vielleicht sieben mal neun Meter groß und bis auf den kleinsten Winkel mit Waren vollgestopft. Es gab Töpfe und Pfannen, Kerosinlampen, Jagdmesser, handbemalte Blumenübertöpfe, Glühbirnen, Briefpapier, Nähfaden, Haarnadeln und nach Sarahs Dafürhalten alles nur sonst Erdenkliche. Dazu noch alle mögliche Dosennahrung, Textilien sowie Milchprodukte, Bier und Erfrischungsgetränke im Kühlschrank. Sie schaute Byron zu, wie er einen Karton Eier, einen Liter Milch und ein Pfund Butter anbrachte.
»Ich mag Traubennektar ziemlich gern«, wagte sich Sarah vor, die einen Karton durch das Glas eines Regals erspähte.
»Dann bedien dich doch.«
»Weißt du, Byron«, setzte sie an, als sie die Regaltür aufschob, »wir haben den häuslichen Aspekt unserer Beziehung noch nicht erörtert.«
Er schaute sie an, wie sie einen Karton Saft herausnahm. »Wir werden uns wohl durchwursteln.«
Lachend warf sie ihm einen schnellen Blick zu.
Deerfoot tippte die Waren ein und verpackte sie dann in Tüten. Als er zu Sarahs Keksen kam, reichte er sie ihr. »Die sind gratis«, sagte er und freute sich über ihr Lächeln.
»Danke schön, Mr. Deerfoot.«
Als die Registrierkasse Byrons Wechselgeld anzeigte, redete Deerfoot mit Byron leise in einer kehligen Sprache, die Sarah für Navajo hielt. Byron antwortete kurz und hob die Tüten hoch.
Als sie beim Auto ankamen, wandte er sich ihr zu.
»Wie schaffst du es nur, auf Anhieb alle Männer zu betören?«
»Tu ich das denn?« Lächelnd öffnete sie die Tür, damit er die Einkäufe auf dem Rücksitz verstauen konnte.
»Das weißt du doch ganz genau.« Er faßte sie unter dem Kinn und schaute sie an. »Deerfoot hat gemeint, dein Lächeln wäre mehr wert als alles Gold in den Bergen.«
»Wirklich?« Sarah schaute gerührt zur Ladenfront zurück.
»Das war aber furchtbar nett. Und was hast du darauf geantwortet?«
Byron sah sie kurz an, dann zeichnete er ihr mit dem Daumen die Kinnpartie nach. »Daß manches nicht mit Gold aufzuwiegen ist.« Er bemerkte, wie sich der Ausdruck ihrer Augen veränderte, wie das Grün dunkler wurde, eine andere Schattierung annahm
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