Zärtlichkeit des Lebens
sie sich zwei Zöpfe geflochten und jeweils ein rotes Band um die Enden gebunden. Ihre kurzen Hosen und ihr weißes Hemd waren mehlbestäubt. Hin und wieder murmelte sie etwas vor sich hin, wenn sie mit gerunzelten Brauen das Kochbuch zu Rate zog. Sie war völlig in ihre Arbeit versunken, und als sie aufschaute und eine Frau in der Küchentür stehen sah, starrte Sarah sie entgeistert an.
Die Frau hatte ein ruhiges Gesicht mit dunklen, glänzenden Augen und vollem Mund. Das Haar trug sie straff nach hinten gekämmt und tief im Nacken zum Knoten zusammengesteckt.
Abgesehen von ein paar wenigen grauen Strähnen schimmerte es tiefschwarz. Sie war groß und schlank und trug ein schlichtes, blaßblaues Hemdblusenkleid.
»Guten Tag«, begrüßte Sarah sie lächelnd.
Die Frau lächelte freundlich zurück. »Guten Tag.« Sie kam in die Küche. »Ich habe geklopft, aber Sie haben es offensichtlich überhört. Ich hörte die Musik, und die Haustür war offen. Ich bin Catherine Lloyd.«
Sarah stellte die Schüssel auf die Arbeitsfläche. »Byrons Mutter?« Sie ging mit ausgestreckten Armen auf sie zu, dann blieb sie stehen und schaute auf ihre mehligen Hände. »O je, ich schaue ja schlimm aus«, entschuldigte sie sich und wischte sich vergebens die Hände an der Hose ab. Lachend schaute sie Catherine an. »Ich habe mich selber in die Enge getrieben und versprochen, ein tolles Abendessen zu fabrizieren. Aber ich bin eine grauenhafte Köchin, und Byron macht alles so verflixt perfekt.«
Catherine lächelte. Die spontane Willkommensgeste hatte sie gerührt. »So war er schon immer, fürchte ich«, erwiderte sie.
»Gelegentlich benimmt er sich mit Absicht so.«
»Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.« Sarah deutete auf einen Küchenhocker. »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«
»Ja, gerne.« Catherine ging zum Hocker und schaute dann zu, wie sich Sarah die Hände an der Spüle wusch.
»Byron ist in die Stadt gefahren«, berichtete Sarah, während sie sich an der Kaffeekanne zu schaffen machte. »Er müßte bald wieder kommen.«
»Hoffentlich ist es für einen Besuch noch nicht zu früh«, setzte Catherine an. »Als Byron mich anrief und mir von seiner Heirat erzählte, dachte ich, daß eine Woche Abwarten wohl reichen müßte.«
»Sie hätten mit Ihrem Besuch nicht zu warten brauchen«, antwortete Sarah. »Ich wollte Sie sehr gerne kennenlernen und mich mit Ihnen unterhalten, wirklich.«
Catherine schaute sie lange an, ehe sie lächelte. »Byron hat mir gar nicht gesagt, wie Sie heißen.«
Sarah ging zu ihr hin und streckte die Hände aus. »Ich bin Sarah. Und ich liebe Byron über alle Maßen.«
»Sarah, das freut mich sehr.« Catherine nahm Sarahs Hände und drückte sie fest, ehe sie sie losließ. »Können Sie sich beim Kochen unterhalten? Ich würde so gern mehr über die Frau meines Sohnes erfahren.«
»Ich kann viel besser reden als kochen«, meinte Sarah. »Was möchten Sie denn gerne wissen?«
»Wo haben Sie Byron kennengelernt?«
Sarah legte einen Deckel auf die Kasserolle mit dem Huhn.
»In seinem Büro, als ich letztes Jahr zu einem Vorstellungsgespräch nach Phoenix kam. Er hat mich eingestellt. Ich bin Architektin.«
»Architektin«, wiederholte Catherine überrascht.
»Ja. Er kam mir angsteinflößend und distanziert vor. Aber ich mußte mich immerzu fragen, was für ein Mensch er in Wirklichkeit wohl ist. Er hält so viel von sich verborgen.« Sie hob den Blick zu Catherine.
Catherine verstand die unausgesprochene Frage und nickte.
»Schon immer. Er schenkt nicht leicht jemandem sein Vertrauen oder seine Zuneigung. Maxwell Haladay ist der einzige, dem er beides zuteil werden läßt. Bis zu einem gewissen Grad vielleicht auch John Cassidy. Er war schon als Junge schwer zu durchschauen – und wuchs schließlich zu einem schwierigen Mann heran. Manchmal mache ich, vielleicht zu Unrecht, Maxwell Haladay dafür verantwortlich.«
»Max?« wiederholte Sarah verblüfft. »Warum denn?«
»Er hat Byron genau das gegeben, was er wollte.« Sie saß in der Sonne, und Sarah sah, daß ihr Gesicht glatt, fast faltenlos war und die gleichen Züge wie die Byrons aufwies. »Er sah den Mann in ihm«, fuhr sie fort, »und vergaß den Jungen.«
Sarah ging an einen Küchenschrank. »Ich kann mir Byron nur mit Mühe als Kind vorstellen. Er ist so unabhängig, so beherrscht.« Schulterzuckend stellte sie Tassen und Unterteller auf die Theke. Catherine sah den schmalen Reif an
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