Zärtlichkeit des Lebens
hatte die meiste Zeit seines Lebens dort verbracht.
»Ja, wir treffen unsere Wahl.« Plötzlich fühlte sich Sarah müde und schloß die Augen. »Dann müssen wir damit leben. Ich hatte mich entschieden, Januels Geliebte zu werden, und wenn man die ganzen Kinkerlitzchen wegnimmt, kommt es nicht mehr darauf an, warum. Er hat mir weh getan. Aber ich komme schon drüber weg.« Ihre Stimme wurde leiser, als sie allmählich in den Schlaf hinüber glitt. »Du lieber Himmel, hoffentlich bald.«
Sie öffnete ein letztes Mal die Augen und sah, daß Byrons Blick auf ihr ruhte. Sarah lächelte, ehe sie die Augen wieder schloß. »Wissen Sie, Byron, Sie haben mir noch immer nichts über sich selbst erzählt.«
»Stimmt«, pflichtete er ihr bei und schob den Kaffee beiseite.
Er wollte ihn jetzt nicht mehr, er wollte nur noch neben Sarah sitzen und sie im Schlaf beobachten.
21
Sarah kam mit zwei Koffern, einem Kleidersack und in schlechter Verfassung zu Hause an. Seit vierundzwanzig Stunden hatte sie nichts außer Champagner und Kaffee zu sich genommen und fühlte sich allmählich ziemlich kaputt. Byrons Angebot, sie nach der Ankunft zum Essen auszuführen und heimzufahren, hatte sie abgelehnt, da sie Distanz zwischen ihnen schaffen wollte.
Gern hätte sie es ihm übelgenommen, daß er zufällig dagewesen war und ihr zugehört hatte. Doch es gelang ihr nicht.
Ein Teil von ihr war dankbar, daß er nur zugehört und keine Allgemeinplätze, keine Ratschläge zum Besten gegeben hatte.
Jetzt wollte sie nur fort von ihm, um Zeit zu haben, die Vorkommnisse mit Januel im richtigen Licht zu sehen.
Ihr Wohnungsschlüssel befand sich nur deshalb in ihrer Handtasche, weil Byron sie daran erinnert hatte, ihn dort zu verwahren. Stirnrunzelnd fiel ihr ihre Willfährigkeit heute früh ein, dann steckte sie den Schlüssel ins Schloß.
Denk einfach nicht mehr daran, befahl sie sich, als sie die Türklinke drückte. Denk nur daran, daß du jetzt daheim bist, und daran, wie schön es ist, endlich wieder zu Hause zu sein.
Mit ihrem Gepäck kämpfend stieß Sarah die Tür auf und trat ein. Sie knipste mit dem Ellbogen das Licht an. Alles Vertraute sprang ihr ins Auge, als habe sie es erst gestern gesehen: das alte viktorianische Sofa, das sie in der kleinen Werkstatt auf der East Side hatte neu polstern lassen, ihren Maisstrohteppich, das Ölgemälde Meeresbucht, das sie auf einem Wochenendausflug nach New Orleans gekauft hatte, der Frosch aus Ton, den ihr eine Collegefreundin vor Ewigkeiten zu Weihnachten getöpfert hatte.
»Himmel«, murmelte Sarah und stellte ihre Koffer ab. »Wie herrlich, wieder zu Hause zu sein.« Es schien soviel von ihr hier zu sein, daß sie sich fragte, welcher Teil von Sarah Lancaster nach Paris gegangen und welcher hier geblieben War.
Sie stand unter der Tür und schaute sich im Zimmer um, bevor sie ihre Handtasche ablegte. Alles wollte sie wieder berühren, sich vergewissern, daß sie hierher gehörte. Doch dann drehte sie sich um und schaute zur Tür auf der anderen Seite des Flurs hinüber. Zuerst einmal wollte sie Dallas besuchen. Sie verdrängte die Erinnerungen an den kühlen Ton, den sie im letzten Brief gespürt hatte. Jetzt brauchte Sarah sie, mußte sich davon überzeugen, daß ihre Freundschaft so wie die Wohnung überdauert, sich nicht verändert hatte. Sie wollte lachen, wollte die Freundin umarmen, den Duft von White Shoulders riechen, in dem Dallas nahezu badete. Irgend etwas Lustiges wollte sie hören und spüren, daß sie einfach um ihrer selbst willen geliebt wurde. Sie ließ die Wohnungstür offen, ging über den Flur und klopfte.
Als Evan die Tür aufmachte, starrte er Sarah verblüfft an. Er brachte kein Wort über die Lippen.
»Hallo, Evan.« Sarah lächelte und versuchte, sich über die Begegnung mit ihm zu freuen.
»Oh, Sarah.« Als er seine anfängliche Überraschung einigermaßen überwunden hatte, trat er zurück und winkte sie mit dem Gin-Tonic-Glas in der Hand herein. »Ich hatte gar nicht mitgekriegt, daß du heimkommst.«
»Das wurde erst in letzter Minute entschieden. Ich bin gerade erst angekommen«, sie schaute in Richtung Schlafzimmer, »und wollte Dallas begrüßen.«
Evan war bei seinem dritten Gin angelangt. Die zwei oberen Knöpfe von Sarahs Bluse standen offen. Er zählte vier weitere, ehe die Bluse in ihren Jeans verschwand. »Sie wollte nur schnell ein paar Sachen einkaufen.« Er zwang sich dazu, ihr ins Gesicht zu sehen, als sie den Blick wieder auf ihn
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