Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder verließ er jedoch nicht die Ranch oder seinen Vater.
Rafe verließ sie.
Sie stand auf, wollte ihm trotz allem nachlaufen, doch sie wusste, dass es nichts nützen würde. Außerdem zitterten ihre Knie so sehr, dass sie sich wieder setzen musste, weil sie sonst gefallen wäre.
Minuten vergingen, und dann ritt Rafe aus dem Stall. Als er den Creek erreichte, war sein Wallach, Chief, in vollem Galopp. Mensch und Tier schienen das Wasser aufzuwühlen, als sie den Bach durchquerten, und Emmeline war überzeugt, dass sie beide stürzen und in dem aufgewirbelten Wasser ertrinken würden, doch binnen Sekunden tauchten sie durchnässt und tropfend am anderen Ufer auf.
»Rafe«, flüsterte Emmeline und wusste zum ersten Mal in ihrem Leben, was es hieß, ein gebrochenes Herz zu haben. »Oh, Rafe.«
Sie weinte und wartete, um stark genug zu sein, ins Haus zu gehen und ihre Sachen zu packen. Bevor sie das jedoch schaffen konnte, kam Holt humpelnd über den Hof und zum Bachufer zu ihr.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Emmeline?«, fragte er. »Nach der Art, wie Rafe gerade von hier fortgeritten ist, dachte ich ...«
Sie blickte zu ihm auf und überlegte, ob er wohl gekommen war, um sich hämisch zu freuen. »Ich habe es ihm gesagt«, antwortete sie. »Das über Kansas City. Über uns.«
»Uns?« Er starrte auf sie hinab. »Guter Gott, Emmeline, du meinst doch nicht...«
»Doch«, erwiderte sie, zu sehr seelisch gebrochen, um etwas anderes als Verzweiflung zu empfinden. »Ich habe ihm die Wahrheit über das erzählt, was in jener Nacht geschehen ist.«
»Mein Gott«, murmelte Holt so erschüttert, dass Emmeline bestürzt war. Vielleicht, dachte sie, ist er wütend, weil er mich nicht länger erpressen kann, nachdem jetzt meine große Sünde kein Geheimnis mehr ist. »Wie konntest du nur?«
Sie stand auf, getrieben von plötzlichem Ärger. »Welche Frage! Ich wollte es ihm sagen, bevor du es tust!«
»Bevor ich ihm was sage?«, hakte er nach und ähnelte sehr Rafe. »Verdammt, Emmeline, da war nichts zu erzählen. Du hast ein Kleid von einer anderen angezogen und dich betrunken. Ich wollte dich nicht bei Becky anschwärzen, und ich wollte dich nicht allein lassen, damit keiner der anderen Männer deine Verfassung ausnutzt, und so habe ich dich ins Bett gelegt und bin gegangen. Das war alles!«
Emmeline blieb der Mund offen stehen. »Aber diese Münzen ...«
»Ich dachte, du brauchst vielleicht Geld, steckst in irgendwelchen Schwierigkeiten und bist verzweifelt.«
Emmeline setzte sich wieder. Sie fühlte sich, als müsste sie sich übergeben oder sogar ohnmächtig werden.
»Emmeline?«
»Ich dachte, wir, du und ich, wir hätten ...«
»Allmächtiger«, murmelte er. Dann wandte er sich von ihr ab und humpelte entschlossen zum Stall.
»Wohin willst du?«, rief Emmeline, als sie schließlich die Kraft fand, sich aus ihrer Starre zu lösen und aufzuspringen.
»Das geht dich nichts an!«, gab er zurück.
Sie eilte hinter ihm her, versuchte, ihn am Arm festzuhalten. »Das kannst du nicht tun«, begehrte sie hastig auf. »Holt, das geht nicht. Du bist verletzt. Wenn du reitest...«
»Halte dich da raus!«, befahl Holt angespannt und schüttelte sie ab. »Du hast genug Schaden angerichtet.« Inzwischen waren sie fast bis zum Stall gelangt.
»Reite nicht hinter Rafe her«, flehte sie. »Er wird dich umbringen, oder du ihn, aber nichts Gutes wird dabei herauskommen!«
Sein Blick war wild. »Geh ins Haus, Emmeline.«
Sie stand sprachlos da, schlug eine Hand auf den Mund und starrte ihm nach, als er in den Stall stürmte.
Er schaffte es ohne Hilfe, ein Pferd aufzuzäumen und zu satteln. Emmeline stand noch dort, wo er sie verlassen hatte, als er aus dem Stall in den Mondschein ritt; auf dem Boden war er behindert, im Sattel war er wieder der Alte.
»Lass mich wenigstens mitreiten!«, bat sie.
Er zügelte neben ihr den tänzelnden Wallach. »Oh, du wärst eine große Hilfe«, höhnte er wütend. »Du hast bereits genug kaputtgemacht, um uns alle die nächsten hundert Jahre damit beschäftigt zu halten, die Scherben aufzusammeln.«
Damit ritt er davon.
Das fast fertige Haus hob sich dunkel vor dem helleren Nachthimmel ab.
Rafe, atemlos nach dem harten Ritt auf den Hügel, die Hosenbeine noch nass vom Wasser des Creeks, schwang sich von Chiefs Rücken und ließ ihn mit hängenden Zügeln grasen. Der Sattel verrutschte ein wenig, weil sich ein Gurt gelockert hatte.
Zu schade, dass
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