Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
herunterkam.
Kade, der erst kürzlich in der Stadt gewesen war, erzählte gerade von einem Neuankömmling in Indian Rock, einer Mrs. Charles Fairmont aus Kansas City, die bereits von praktisch jedem in der Stadt mit »Becky« angeredet wurde.
Aus Emmelines Gesicht wich die Farbe. Ihre Hände zitterten, und bevor Rafe reagieren konnte, um ihr zu helfen, entglitt ihr das Tablett, und die volle Ladung Geschirr landete krachend und splitternd auf dem Boden.
Becky Harding - alias Mrs. Charles T. Fairmont III - war tatsächlich im »Territorial Hotel« eingetragen, wie Kade am Abend zuvor nach der Beerdigung berichtet hatte. Als Emmeline das Hotel betrat - Rafe war zum Mietstall weitergefahren, um die Pferde und den Wagen dort zu lassen -, hielt Becky in der Halle Hof. Sie trug ein feines, königsblaues Kleid und stand inmitten der Hotelhalle, eine lebendig gewordene Statue Aphrodites.
Bei Emmelines Anblick kniff sie die Augen zusammen und rauschte zu ihr. Bewunderer, Gentlemen und Rüpel gleichermaßen machten ihr Platz wie eine See, die sich teilte.
»Ah, Emmeline«, begann sie mit dieser vertrauten, gebieterischen Stimme. Es gab keine Umarmung, wie man nach einer Trennung hätte erwarten können. »Ich wollte gerade aufbrechen, um dich auf der Triple M zu besuchen. Welch ein Glück, dich hier zu finden.«
Emmeline ließ ihren Blick über die Schar der Prospektoren, feinen Pinkel, Cowboys und Farmer schweifen, die sich versammelt hatten, um ihrer Tante zu huldigen, und flüsterte: »Was machst du hier?«
Becky ergriff ihre Hand und drückte sie so fest, dass Emmeline zusammenzuckte. »Aber ich bin gekommen, um dich zu besuchen, meine Liebe«, trällerte sie und zog ihre Nichte zur Treppe. »Wir werden uns unter vier Augen unterhalten. Diese Gentlemen werden das bestimmt verstehen.«
Emmeline wagte nicht, etwas dagegen einzuwenden; sie hatte zu viel zu verlieren, wenn Becky ihre Beziehung in allen Einzelheiten erklärte. Sie blickte zu der Menge zurück. Alle Männer starten Becky und sie an, und Emmeline fragte sich, wie viel sie bereits über Mrs. Rafe McKettricks skandalöse Vergangenheit wussten.
Becky zog sie in ein Zimmer hinten im Hotel und knallte die Tür zu. Emmeline hatte ihre Tante niemals weinen gesehen, nicht einmal in den schlimmsten Zeiten, doch jetzt standen Tränen in ihren Augen, und zwar Tränen der Wut.
»Ich hätte nicht geglaubt, dass du mich tatsächlich verlässt«, zürnte Becky mit gedämpfter Stimme. »Wie konntest du, nach allem...« Sie verstummte und schnappte nach Luft. »Emmeline Harding, wenn du wüsstest, was mir durch den Kopf gegangen ist...«
»Ich habe dir einen Brief geschrieben«, unterbrach Emmeline sie leise. Sie bedauerte die Umstände, die zu ihrer Trennung geführt hatten, und sie freute sich sehr, ihre Tante wiederzusehen. Sie war jedoch zur Triple M gekommen, um mit Rafe als dessen Frau zu leben, und so hart es auch war, sie wollte, dass die Ehe funktionierte. Wenn Rafe jemals herausfand, was sie in jener Nacht in Beckys Etablissement getan hatte, noch dazu mit einem völlig Fremden und für Geld, dann würde sie mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt werden.
Becky war in der Lage, alles zu ruinieren, und sie wusste das offensichtlich. Sie wies gebieterisch auf einen Sessel. »Setz dich!«
Emmeline gehorchte widerwillig. Sie faltete die Hände und hielt den Kopf hoch erhoben, doch ein Teil von ihr, der des kleinen Mädchens, hätte sich am liebsten in Beckys Arme geworfen und sich an sie geklammert, um ihr zu sagen, wie Leid es ihr tat. »Wenn du mich fragen willst, ob ich nach Kansas City zurückkehre«, erklärte sie stattdessen, »tu es bitte nicht.«
Becky war mit verschränkten Armen auf und ab gegangen, doch bei Emmelines Worten verharrte sie abrupt und errötete bis zum Haaransatz. »Das ist ungefähr das Letzte, was ich jemals tun werde.«
»Warum bist du dann hergekommen? Offensichtlich bist du immer noch ärgerlich auf mich.«
»Ärgerlich? Das Wort reicht kaum aus. Ich könnte dich erwürgen«, gestand Becky und ging wieder auf und ab, schneller als zuvor. »Hast du eine Ahnung, was dir zwischen Kansas City und diesem gottverlassenen Kaff alles hätte passieren können? Allein reisende Frauen sind schon überfallen, entführt und sogar ermordet worden. Nicht wenige enden in Indianerlagern, als Sklavinnen mit Tätowierungen auf dem gesamten Körper, oder finden sich im Frachtraum irgendeines Flussbootes nach New Orleans und in einem Leben
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