Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
sah ihm in die Augen. »Du wirst mir verzeihen«, meinte sie trocken, »wenn ich gegenüber der menschlichen Natur im Laufe der Jahre etwas misstrauisch geworden bin.«
Er lächelte. »Ich nehme an, so ist es«, bemerkte er. »Zufällig bin auch ich ein wenig misstrauisch geworden, wir beide verstehen uns also.« Holt wurde ernst und schaute aus dem Fenster. Emmeline und Rafe kamen gerade Arm in Arm von einem ihrer Spaziergänge zurück. »Diese junge Frau...« begann er.
»Sie ist meine Niehte«, beeilte sich Becky zu sagen. »Sie und Mr. McKettrick sind frisch verheiratet. Ich finde, sie sind ein schönes Paar.« Sie legte eine Pause ein, taxierte ihn und schätzte sein offensichtliches Interesse für Emmeline ein. Sie hatte nicht all diese Jahre ein florierendes Bordell geführt, ohne Menschenkenntnis zu gewinnen; sie wusste, wann ein Mann an einer Frau interessiert war und wann er sich für sie interessierte. »Findest du nicht auch?«
Holt gab keine Antwort, doch als Emmeline und Rafe in den Speiseraum kamen, erhob er sich von seinem Stuhl. Er schien jetzt mehr an Rafe als an Emmeline interessiert zu sein, denn er musterte ihn ernst und aufmerksam.
Emmeline wurde blass, als sie Holt sah; Becky fiel das sofort auf, doch Rafe schien nichts vom Unbehagen seiner Frau zu bemerken. Typisch, dachte Becky. Männer machten sich über die falschen Dinge und wegen der falschen Leute Sorgen, und dann waren sie blind gegenüber einer Situation oder einem Nebenbuhler, obwohl sie sofort hätten alarmiert sein sollen.
Holt streckte Rafe die Hand hin. »Hallo«, grüßte er, ein bisschen zu herzlich Beckys Meinung nach. »Ich heiße Holt Cavanagh.« Er nickte Emmeline zu, während Rafe und er sich die Hände schüttelten. »Ich hoffe, Sie fühlen sich heute besser, Ma'am.«
Emmeline ließ sich dankbar auf einen Stuhl sinken, den Rafe für sie heranzog. »Ja«, antwortete sie schwach und täuschte niemanden. »Ich habe mich gut erholt, danke.«
»Rafe McKettrick«, stellte sich Rafe vor.
»Schön, Sie kennen zu lernen«, erwiderte Holt.
Becky ergriff Emmelines Hand und drückte sie beruhigend, als Rafe sich ebenfalls setzte. Emmeline fühlte sich sichtlich unbehaglich in Holts Anwesenheit, und Becky fragte sich, warum. Sie hatte natürlich nicht erwähnt, dass Holt und sie einander aus Kansas City kannten, und sie war dankbar, dass Holt so vernünftig war, ebenfalls nichts davon zu sagen. Was war also der Grund für Emmelines Unbehagen?
Als ihr die Möglichkeit in den Sinn kam, traf es sie mit der Wucht eines beschleunigenden Frachtzugs. Guter Gott, dachte sie. Oh, lieber Gott!
»Sie beide scheinen sich zu kennen«, stellte Rafe leichthin fest, als Clive Kaffee für ihn und Emmeline gebracht hatte, und blickte von Holt zu Becky.
»Eigentlich«, erwiderte Holt, ohne zu zögern, »haben wir uns gerade heute Nachmittag kennen gelernt. Ich saß allein hier rum, und Mrs. Fairmont war so freundlich, mich einzuladen, ihr Gesellschaft zu leisten.«
Emmelines Augen, zwar immer noch groß, wirkten etwas weniger fiebrig. Ihre Hand zitterte jedoch ein bisschen, als sie ihre Teetasse an die Lippen hob.
Wir haben soeben unsere Erledigungen in der Stadt beendet«, berichtete Rafe, der nichts von den komplizierten Feinheiten wahrnahm, die sich in ihrem Kreis abspielten, »und so werden wir gleich nach Hause fahren.« Er lächelte Becky an. »Sie werden mit uns kommen, ja? Pa möchte Sie bestimmt kennen lernen.«
Becky nickte und tat angenehm überrascht über die Einladung, doch in Wirklichkeit hatte sie bereits vorgehabt, die Triple M auf jeden Fall zu besuchen. Sie wollte mit eigenen Augen die Ranch sehen, auf der ihre Tochter leben würde, und sie wollte Angus McKettrick ein paar Vorschläge hinsichtlich der Leitung des Hotels machen. Nach dem, was sie von diesem Hotel gesehen hatte, vermutete sie, dass er ein bisschen dumm war. »Natürlich werde ich Sie begleiten, wenn ich Ihnen nicht zur Last falle.«
Emmeline warf ihr einen verzweifelten Blick zu, und Becky war sich nicht sicher, ob das Mädchen wollte, dass sie mitkam oder der Ranch fern blieb. Anstatt ihre Meinung kundzutun, senkte Emmeline nur den Kopf und trank einen weiteren Schluck Tee.
Becky hätte sie am liebsten durchgeschüttelt. Emmeline war schließlich nicht aufgezogen worden, um sich wie eine Maus zu verhalten, sondern wie eine starke Frau. Warum sonst hatte Becky die verrückte Abenteuerlust des Mädchens geduldet, wenn nicht, um sicherzustellen, dass es
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