Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
ihn vorsichtig auf den Versorgungswagen. Die Maultiere wurden eingeschirrt und angespannt. Während Kade zur Stadt ritt, übernahm Jeb die Zügel des Wagens, auf dem Denver Jack hinten mitfuhr, Cavanaghs Bein ruhig hielt und die Aderpresse lockerte oder spannte, wie es gerade nötig war. Angus ritt neben dem Wagen her und beobachtete alles genau.
Rafe schaute dem Rettungstrupp nach und hoffte bei Gott, dass Kade den Arzt nüchtern antreffen würde, dass er ihn überhaupt finden würde. Doc Boylen war ein erfahrener Arzt - das hatte er bewiesen, als er sich um Mrs. Pelton gekümmert hatte -, wenn er nicht in Melancholie versank und sich betrank, was meistens der Fall war. Wenn er guter Stimmung war, konnte er fast mit allem fertig werden. Wenn er sich jedoch seinem Kummer ergab, trank er, und betrunken war er einfach nutzlos. Es war vermutlich eine Gnade für die Bürger von Indian Rock und Umgebung, dass er dazu neigte, sich zu solchen Zeiten zu verstecken.
Nach einer Weile wandte sich Rafe um und den verbliebenen Männern zu. Sie waren alle still, beobachteten ihn, warteten darauf, dass er ihnen befahl, weiterzuarbeiten oder zur Ranch zurückzukehren. Seit Jahren hatte er sich gewünscht, die Triple M zu führen, doch jetzt, da er tatsächlich die Leitung innehatte, begann er die dunkle Wolke hinter dem Silberstreif am Horizont zu sehen. Er hatte neuen Respekt und neues Mitgefühl für seinen Vater und all die Entscheidungen, die er im Laufe der Jahre hatte treffen müssen. Es lief für Rafe anscheinend alles auf eines hinaus - was auch immer geschah, er musste die gegenwärtige Aufgabe zu Ende führen.
»Wir haben noch ein paar Stunden Tageslicht, und wir müssen ein Haus bauen«, sagte er. »Lasst uns weiterarbeiten.«
Kade fand Doc Boylen im »Bloody Basin Saloon«. Er war stocknüchtern und gewann beim Faro. Boylen war ein kleiner Mann mit wild zerzaustem rotem Haar und einer großen, runden Nase. Er roch stets schwach nach Karbolsäure, und er hatte das Naturell eines Stachelschweins mit gesträubten Stacheln.
»Hat die arme Frau Pelton wieder Probleme?«, fragte er, als Kade sich dem Faro-Tisch näherte.
»Ein Mann ist verletzt«, berichtete Kade ruhig. »Ist unter einem Baumstamm eingequetscht worden, oben bei Rafes Baustelle. Jeb und Pa bringen ihn zur Ranch.«
»Wie schlimm?«, bellte Doc Boylen und warf seine Karten hin.
»Sehr schlimm«, antwortete Kade. »Sein rechtes Bein ist praktisch zerschmettert.«
Doc Boylen fluchte. »Ich nehme an, ich werde meine chirurgischen Instrumente brauchen und etwas Äther. Auch Laudanum. Ich schaue bei meiner Praxis vorbei und treffe Sie dann am Mietstall. Wenn es dort kein schnelles Pferd zu mieten gibt, nehme ich besser Ihres.«
Kade nickte und wandte sich zum Gehen.
Wie es der Zufall wollte, standen im Mietstall überhaupt keine Pferde zur Verfügung, außer einem alten Klepper, der es nie bis zur Triple M schaffen würde, geschweige denn schnell. Kade fand sich mit resigniertem Widerwillen damit ab, seinen kastanienbraunen Wallach, Raindance, dem Doc zu überlassen. Er würde die Nacht im »Territorial Hotel« verbringen, wenn ein Zimmer frei war, und darauf warten, dass ihm jemand von der Ranch sein Pferd zurückbrachte. Der Doc musste vielleicht ein paar Tage dort draußen bleiben.
Kade übergab sein Pferd dem Doc, schaute ihm vom Mietstall aus nach und kehrte dann in den »Bloody Basin Saloon« zurück, um ein paar Bier oder Whisky zu trinken und ein oder zwei Runden Faro zu spielen. Der Doc hatte Gewinnerglück gehabt, als er das letzte Spiel abgebrochen hatte; vielleicht trieb sich Lady Fortuna noch dort herum und wartete auf jemanden, dem sie zulächeln konnte.
Es war früh am Abend, und Kades Taschen waren beträchtlich leichter, als er zum Hotel ging. Offenbar hatte Doc Boylen seine Glückssträhne mitgenommen; Kade hoffte, sie würde Cavanagh, dem armen Kerl, zugute kommen. Allein der Gedanke an den Zustand von Cavanaghs Bein weckte in Kade den Wunsch, in den Saloon zurückzukehren und noch einen Whisky zu trinken.
Er glaubte, Gespenster zu sehen, als er in die Halle des »Territorial Hotels« trat, und blinzelte ein paarmal. Davon bekam er keinen klareren Kopf, und es änderte auch nichts an dem Anblick, den er sah . Die Nonne stand immer noch hinter dem Anmeldepult. Sie lächelte ihn an.
»Ich brauche ein Zimmer«, erklärte er und fühlte sich total benebelt. Was war nur in dem letzten Whisky gewesen?
Sie überreichte ihm das schwere
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