Zärtlichkeit, die du mir Schenkst
diesem Stress nicht ausgesetzt werden.« Er legte eine Pause ein, um beide über den Rand seiner Brille hinweg anzusehen. »Im Gegensatz zu dem, was er uns weismachen will, ist Angus McKettrick nicht aus Stahl.«
Emmeline schluckte unzählige Einwände herunter, weshalb sie bei einer Operation nicht assistieren konnte, und richtete sich kerzengerade auf. Ob es ihr gefiel oder nicht, diese Aufgabe war ihr vom Schicksal zugefallen. Concepcion und Angus hatten stundenlang über Mr. Cavanagh gewacht, sie hatten ihn bis jetzt am Leben erhalten, aber sie hatten alles gegeben, was sie konnten. Jetzt war sie an der Reihe.
Widerstrebend verließen sie das Zimmer, und Emmeline hörte ihre leisen Stimmen, als sie die Treppe hinabgingen.
»Erklären Sie mir nur, was ich tun soll«, bat sie.
Der Arzt blickte von dem Verband auf, den er gelöst hatte. »Gehen Sie und schrubben Sie sich die Hände. Wir werden dieses Bein wieder zusammenflicken.«
Mit zitternden Knien nickte Emmeline und ging in die Küche hinab, wo sie sich die Hände zu waschen begann. Angus und Concepcion saßen da, tranken Kaffee, den Phoebe Anne für sie gekocht hatte, und beobachteten benommen, wie sie ein leichtes Abendessen auftrug.
»Du brauchst das nicht zu tun, Emmeline«, bemerkte Angus.
Sie drehte sich an der Spüle um und trocknete ihre Hände an einem sauberen Handtuch ab. Die beiden sahen aus, als wären sie im Krieg gewesen, Concepcion benommen und mit blutigem Kleid, Angus matt und bleich.
»Es geht schon«, entgegnete sie und blickte zu den dunklen Fenstern, als sie Hufschlag hörte, der sich in Richtung Stall und Arbeiterquartier entfernte. Rafe kehrte also zurück. Wie sie sich danach sehnte, ihn zu sehen, wenn auch nur für einen Moment! Ein Blick, ein Wort würden ihr die Kraft geben, die sie so dringend brauchte, um diese neue Herausforderung meistern zu können.
»Emmeline!«, rief Dr. Boylen von oben. »Wo bleiben Sie? Wir müssen hier anfangen!«
Emmeline atmete tief durch, straffte die Schultern und ging die Treppe hinauf.
Frank Boylen legte die maskenähnliche Apparatur auf Mr. Cavanaghs Gesicht. Der Patient war in diesem Moment bei Bewusstsein, und er blickte mit einem Ausdruck in den Augen zu Emmeline auf, den sie nicht genau zu deuten wusste. Wiedererkennen lag jedoch mit Sicherheit darin. Holt Cavanagh erinnerte sich an sie aus Kansas City, und er wollte, aus welchem Grund auch immer, dass sie das wusste.
»Diese Flasche enthält Äther«, fuhr der Arzt fort und drückte sie Emmeline in die Hand, »tröpfeln Sie ihn langsam auf die Maske. Langsam. Wenn Sie ihm zu viel davon geben, könnte es fatale Folgen haben.«
Emmeline verspürte ein flaues Gefühl in der Magengegend, und ihre Knie waren weich, doch sie nickte. Sie tat, was Dr. Boylen ihr demonstrierte, und nach ein paar Minuten fielen Mr. Cavanagh die Augen zu.
Dr. Boylen hörte mit seinem Stethoskop die Herztöne des Patienten ab, nickte vor sich hin und griff nach seinen Instrumenten. Er wischte jedes mit einem in Karbolsäure getränkten Tuch ab, dann begann er zu schneiden. Mit bloßen Händen richtete er die Knochen, und es floss viel Blut.
Während seiner Arbeit glaubte Emmeline mehrere Male, ohnmächtig zu werden, doch sie konzentrierte sich darauf, den Äther zu verabreichen. Tropfen für Tropfen. Der Rat des Arztes schien in ihrem Kopf widerzuhallen. Langsam, langsam.
Mr. Cavanagh überlebte diese Operation. Als sie geschafft war, hatte Dr. Boylen über vier Stunden gearbeitet, Knochen und Sehnen wie Teile eines Puzzles zusammengesetzt, die Wunde desinfiziert, sie genäht und abermals desinfiziert. Die einzigen kurzen Pausen hatte er sich gegönnt, um sich mit einer Serviette den Schweiß von der Stirn zu wischen. Schließlich rief er nach jemandem, der etwas für ihn erledigen sollte. Rafe trat ein, schaute zu Emmeline, und sein Blick sagte ihr, dass er ihr diese schreckliche Erfahrung liebend gern erspart hätte.
Frank Boylen gab ihm den Auftrag, die Enden zweier Schaufelstiele abzusägen, und als Rafe damit zurückkehrte, säuberte der Arzt sie mit Karbolsäule, so wie er das Skalpell und die anderen Instrumente desinfiziert hatte. Er benutzte die Hartholzstiele, um das Bein zu schienen, und befestigte sie dann mit langen Streifen aus Baumwolle.
Emmeline saß schließlich blutbefleckt und erschöpft in der Küche, als Rafe zu ihr kam. Sie hatte sich nahe an den Herd gesetzt, weil sie bis ins Mark fror.
Rafe ergriff ihre Hand und küsste sie, obwohl
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