Zahltag
Korassidis’ Unterlagen«, weist
er seine gelangweilte Assistentin an.
Sie bringt eine umfangreiche, mit Bändern verschnürte Aktenmappe.
Katsoumbelos zieht die Steuererklärung hervor und überreicht sie Spyridakis.
»Ich glaube nicht, dass Sie etwas Interessantes darin finden werden«, erklärt
er.
Spyridakis überfliegt sie rasch und deutet auf eine Zahl. Als ich
mich über das Blatt beuge, lese ich: »Zu versteuerndes Nettoeinkommen: 50000.«
Der Mörder kannte die Summe also tatsächlich ganz genau.
[97] »Finden Sie das normal, dass ein so renommierter Arzt wie
Korassidis nur 50000 Euro Einkommen deklariert?«, fragt Spyridakis den
Steuerberater.
Katsoumbelos lächelt milde. »Mein lieber Herr Spyridakis, in diesem
Beruf lernt man, vieles als normal anzusehen. Andernfalls sucht man sich besser
einen anderen Job.«
»Demzufolge halten Sie es für das Normalste von der Welt, dass
Korassidis zwei Immobilien besitzt, aber keinerlei Steuern dafür zahlt?«
»Was für Immobilien?«, wundert sich Katsoumbelos. »Ich weiß von
keinem Grundeigentum.«
»Da ist zunächst einmal das Haus in Ekali.«
»Die Villa gehört nicht ihm, sondern ist auf den Namen seiner
Töchter im Grundbuch eingetragen.«
Spyridakis wendet sich mit einem Lächeln an mich. »Aha, also alles
ganz normal. Und was ist mit dem Landhaus auf Paros?«, fragt er Katsoumbelos.
»Auch das gehört ihm nicht, sondern er hat es von einer
Offshore-Firma gemietet. Einen Augenblick…« Er blättert in den Unterlagen herum
und zieht schließlich ein Schriftstück hervor. »Hier, bitte schön, der Vertrag
mit der Firma Ocean Estates.«
Spyridakis platzt heraus: »Was für ein toller Name!«, ruft er
begeistert. »Ozeanische Liegenschaften. Mehr als die Hälfte aller griechischen
Ferienhausbesitzer hält ihr Eigentum in irgendeiner Offshore-Gesellschaft am
Grunde des Meeres versteckt.« Dann wendet er sich erneut Katsoumbelos zu.
»Könnte ich die Steuererklärungen der beiden Töchter sehen?«
Katsoumbelos zuckt die Achseln. »Tut mir leid, für die bin ich nicht
zuständig.«
[98] »Wissen Sie vielleicht, welcher Steuerberater die Töchter
vertritt?«
»Keine Ahnung, das können Sie aber über das Steuerprogramm Taxis der
griechischen Finanzverwaltung herausfinden.«
»Mit anderen Worten: Das Grundstück in Ekali gehört Korassidis’
beiden Töchtern, von denen wir nicht wissen, ob und wo sie eine Steuererklärung
abgegeben haben, und die Immobilie auf Paros gehört einer Offshore-Firma. Dann
hatte Korassidis also überhaupt keinen Immobilienbesitz.«
»Genau, Herr Spyridakis. Und deshalb sind die Angaben in seiner
Steuererklärung vollkommen wahrheitsgetreu.«
»Und was ist mit der Kunstsammlung in seiner Villa?«, frage ich.
»Davon weiß ich nichts, eine Kunstsammlung habe ich nie zu Gesicht
bekommen«, lautet die Antwort.
Vermutlich sagt er die Wahrheit. Die Gemäldegalerie liegt hinter
einer alarmgesicherten Tür in einem speziellen Raum des Hauses. Korassidis hat
sie seinem Steuerberater wohl kaum gezeigt.
»Kann ich das Stammblatt aus Korassidis’ Quittungsbuch sehen?«,
wendet sich Spyridakis an den Steuerberater.
»Selbstverständlich.«
Spyridakis nimmt die Originale entgegen und überfliegt sie. »Soll
das heißen, dass Korassidis im ganzen letzten Jahr nur neunzig Patienten
behandelt hat? Und das soll ich Ihnen abnehmen? So viele hat er doch in einer
einzigen Woche empfangen.«
»Es ist nicht meine Aufgabe, die Zahl von Korassidis’ Patienten zu
kontrollieren, Herr Spyridakis«, meint [99] Katsoumbelos spitz. »Ich habe die
Angaben übernommen, die er mir für seine Buchhaltung und Steuererklärung
gemacht hat. Die Überprüfung ist Sache des Amts für Steuerfahndung. Sie hätten
nur einen Kontrolleur an den Eingang der Praxis stellen müssen, um zu prüfen,
wie vielen seiner Patienten er eine Quittung ausgestellt hat. Das haben Sie
offenbar versäumt. Sie werden doch nicht von mir verlangen, Ihre Arbeit gleich
mit zu erledigen?«
Darauf kann ihm Spyridakis nichts erwidern. Katsoumbelos kostet den
Triumph sichtlich aus.
»Ist Ihnen vielleicht in den letzten Tagen etwas Verdächtiges an
Ihrem Computer aufgefallen?«, frage ich Katsoumbelos.
»Inwiefern?«
»Jemand könnte versucht haben, auf Ihre Daten zuzugreifen.«
»Nein, ich habe nichts Derartiges bemerkt.«
»Lassen Sie mich den Hintergrund meiner Frage erläutern: Wir haben
Grund zur Annahme, dass jemand die Steuersoftware Taxis geknackt und sich
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