Zahltag
hinunterzuschlucken. Und ersparen Sie es mir, Ihnen die
Tricks der Freiberufler auseinanderzusetzen, die kennt jeder griechische
Bürger.«
»Wäre die Überprüfung der Steuererklärung nicht Ihre Aufgabe?«,
werfe ich ein, da Spyridakis mir mit seiner besserwisserischen Art auf den Senkel
geht.
»Ja schon, aber bei uns tauchen tagtäglich verdächtige Zahlen auf.
Bis wir uns da zu Korassidis durchgearbeitet haben, sind drei Jahre um. Falls
Sie es noch nicht wissen sollten: Auch uns hat man das Budget gekürzt, auch bei
uns wurden Beamte entlassen.«
Ich sehe ein, dass ich gegen ihn nicht ankomme, und wechsle das
Thema: »Kommen wir zur nächsten Frage: Woher kannte der Mörder die Angaben aus
Korassidis’ Steuererklärung? Mittlerweile habe ich Ihnen ja seinen Computer
rübergeschickt«, sage ich zu Lambropoulos. »Wir müssen [91] herausfinden, ob der
Täter das Schreiben auch an Korassidis persönlich geschickt oder ob er es nur
ins Internet gestellt hat.«
»Vielleicht hat er die Nachricht gelöscht«, bemerkt Gikas, der sich,
seit er einen Bildschirm in seinem Büro stehen hat, zum Computerexperten
berufen fühlt.
»Kaum denkbar, dass sie gänzlich verschwunden ist.« Lambropoulos
lacht. »Wenn wir uns seine Festplatte vornehmen, können wir das meiste
wiederherstellen.«
»Dann kommen wir jetzt zu meiner letzten Frage, aber ich befürchte,
dass Sie mir da wahrscheinlich nicht weiterhelfen können.«
»Fragen Sie ruhig«, ermuntert mich Lambropoulos.
»Der Mörder hat Korassidis mit Schierling vergiftet und die Leiche
dann auf dem antiken Kerameikos-Friedhof abgelegt. Mit Schierlingsgift ist auch
Sokrates umgekommen. Die Frage ist, was der Täter mit den alten Griechen und
den archäologischen Ausgrabungsstätten zu tun hat.«
»Sie haben recht, dieser Frage müssen wir unbedingt nachgehen«,
stimmt Gikas mir zu.
»Am ehesten ist Antonis für deinen Fall zuständig«, meint Dolianitis
schließlich mit einem Kopfnicken in Spyridakis’ Richtung. »Wir befassen uns mit
anderen Wirtschaftsvergehen, nicht mit Steuerhinterziehung.«
»Wo sollten wir denn Ihrer Meinung nach ansetzen?«, wende ich mich
an Spyridakis.
»Am besten beim Steuerberater. Wenn wir beim Finanzamt anfangen,
müssen wir erst die Steuerakte heraussuchen und mit dem Sachbearbeiter
sprechen. In der Zwischenzeit sickert möglicherweise etwas bis zum
Steuerberater durch, [92] der dann sofort gewisse Unterlagen verschwinden lässt.
Zudem hat er ja Korassidis’ Steuererklärung ausgefüllt und kann Ihre Fragen
dazu bestimmt beantworten.«
»Gut, wann soll ich ihn also zur Vernehmung vorladen?«
»Am besten gar nicht«, lautet die prompte Antwort. »Wenn Sie ihm
sagen, dass Sie ihn zu Korassidis befragen wollen, schafft er aller
Wahrscheinlichkeit nach sofort bestimmte Belege beiseite.« Er holt Luft, um mir
eine Lektion zu erteilen. »Sehen Sie, Herr Kommissar, das Finanzamt ist vom
Zusammenspiel dreier Parteien abhängig: den Steuerzahlern, den Finanzbeamten
und – als Bindeglied zwischen beiden – den Steuerberatern, die über diejenigen
Angaben ihrer Mandanten Bescheid wissen, die dem Finanzamt verschwiegen werden.
Da es um Mitwisserschaft geht, müssen wir uns zuerst an den Steuerberater
wenden, solange er sich noch in Sicherheit wiegt.« Er wirft einen Blick auf
seine Uhr. »Ich würde sagen, wir sollten gleich los. Der Zeitpunkt ist
günstig.«
»Ja, aber ist er jetzt auch in seinem Büro?«
Spyridakis lacht auf. »Steuerberater, Herr Kommissar, sind wie
Rechtsanwälte. Die gehen vormittags zum Gericht und nachmittags in ihre
Kanzlei. Genauso gehen die Steuerberater vormittags zu den verschiedenen Finanzämtern
und sitzen nachmittags an ihren Schreibtischen. Genau dort wird Korassidis’
Steuerberater jetzt auch sein.«
Statt einer Antwort greife ich zu meinem Handy und frage nach der
Adresse von Minas Katsoumbelos, der Korassidis’ Steuerangelegenheiten betreute.
Da damit die Sitzung beendet ist, stehen alle von ihren Stühlen auf, doch Gikas
hält uns noch mal zurück und sagt, den Blick auf mich gerichtet: [93] »Ich habe
vorhin den Minister informiert. Er will selbst mit seinem Amtskollegen aus dem
Finanzministerium sprechen. Jedenfalls unterliegt das Schreiben des Mörders
absoluter Geheimhaltung.«
»Pff, glaubt er etwa, dass wir es den Journalisten unter die Nase
halten?«, fragt Lambropoulos spöttisch.
»So sind die Minister«, bemerkt Dolianitis. »Sie geben immer
überflüssige Anweisungen.«
Zusammen
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