Zahltag
Jedenfalls
sind mir seine Aktionen recht, solange die Revolution noch auf sich warten
lässt. Falls sie denn überhaupt noch kommt.«
»Ich bin nicht wegen des nationalen Steuereintreibers hier, sondern
privat.«
[252] »Privat?«
»Ja.«
»Komm mit hoch, dann trinken wir einen Mokka.«
Wir steigen die Treppe zu seinen Wohnräumen hinauf. Ich setze mich
auf meinen Stammplatz und warte, bis der Mokka fertig ist. Doch er braucht
seine Zeit, bis er die richtige Temperatur erreicht hat. Schließlich wird er
mir zusammen mit eingelegten Feigen serviert, wohingegen sein Mokka ohne
Begleitung auskommt. Die Sitte, dass die Süßigkeit den Gästen vorbehalten
bleibt, hat ihm seine Mutter, eine aus Kleinasien vertriebene Griechin,
beigebracht.
»Also?«, brummt er.
Da erzähle ich ihm die ganze Sache mit Katerina. Nicht einmal die
gestrige Auseinandersetzung mit Fanis’ Eltern unterschlage ich. Er hört mir zu,
ohne mich zu unterbrechen. Erst am Schluss entfährt ihm ein Seufzer:
»Tja, Charitos, Katerina ist nun mal die Tochter eines Polizisten«,
meint er.
Wenn wir unter uns sind und ihm etwas gegen den Strich geht, bin ich
für ihn immer nur der »Bulle«. Aber wenn er von Katerina spricht, nennt er mich
»Polizist«, da er fürchtet, meine Tochter zu beleidigen, selbst wenn sie
persönlich gar nicht anwesend ist.
»Was meinst du damit?«, will ich von ihm wissen.
»Sie hat keine Ahnung, was es heißt, im Exil zu leben. Wie sollte
sie auch? Als Tochter eines Polizisten?«
An seine spitzen Bemerkungen habe ich mich so sehr gewöhnt, dass sie
mich gar nicht mehr treffen. Sowohl bei spontaner Empörung als auch bei lange
angestautem Verdruss macht er sich damit Luft.
[253] »Ich wollte dich bitten, mit ihr zu reden«, bekunde ich. »Oft
zählt für Katerina deine Meinung mehr als meine.«
»Gut, ich rede mit ihr«, meint er entschieden. »Darf ich erwähnen,
dass ich das alles von dir weiß?«
»Ja, das ist kein Geheimnis. Sag ihr, ich hätte dir erzählt, ihre
und Fanis’ Auswanderungspläne seien beschlossene Sache.«
»Na, dann lass mich mal nachdenken, wie ich es ihr beibringe. Dann
melde ich mich bei ihr.«
Bevor ich die Weiterfahrt antrete und er seine Blumen zu Ende gießt,
sagt er unten im Hof zu mir: »Weißt du, viele von uns sind hoch erhobenen
Hauptes in die Verbannung gegangen. Erst als sie dort ihr neues Leben anfingen,
ist ihnen klar geworden, was für einen hohen Preis sie für ihren Stolz bezahlt
haben.«
Dann greift er wieder nach seiner Gießkanne, während ich die
Gartentür öffne und auf die Straße trete. Mit einem Schlag fühle ich mich
erleichtert. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob er Katerina überzeugen kann,
aber ich weiß, dass Sissis’ Ansichten einen hohen Stellenwert für sie haben.
Am Ende der Dekelias-Straße läutet mein Handy. »Wo bleiben Sie
denn?«, höre ich Gikas’ Stimme. »Sind Sie nicht in Ihrem Büro?«
»Ich bin durch einen privaten Termin aufgehalten worden.«
»Und wo sind Sie jetzt?«
»Gleich auf der Patission-Straße.«
»Kommen Sie direkt ins Finanzministerium. Wir treffen uns im Büro
des Ministers«, sagt er kurz angebunden.
Wenn uns der Finanzminister höchstpersönlich in sein [254] Büro
einbestellt, muss die Lage verdammt ernst sein. Und geradezu bedrohlich wird
die Lage momentan für das Finanzministerium, wenn der nationale
Steuereintreiber involviert ist. Obwohl ich mir den Kopf zerbreche, was er
jetzt wieder ausgeheckt haben könnte, will mir nichts einfallen.
Als ich eine dreiviertel Stunde später im Vorzimmer des Ministers
eintreffe, empfängt mich eine seiner Sekretärinnen. »Kommen Sie, Sie werden
schon erwartet.«
Alle hohen Herren sind hier versammelt: neben dem Finanzminister,
der uns alle einberufen hat, auch dessen Vizeminister, dann unser Minister aus
dem Bürgerschutzministerium, der Polizeipräsident, der Leiter des Amts für
Steuerfahndung, Gikas und Lambropoulos – daneben zwei kleine Fische: Spyridakis
und ich. Dazu kommt noch ein Mittfünfziger, dessen Identität vorläufig noch
nicht gelüftet wird.
»Meine Herren, ich habe Sie heute hierhergebeten, weil sich im Fall
dieses selbsternannten nationalen Steuereintreibers neue und besorgniserregende
Entwicklungen abzeichnen«, hebt der Finanzminister an. »Er hatte nämlich die
Stirn, an mich persönlich ein Schreiben zu richten, das meine Sekretärin heute
Morgen unter meinen E-Mails vorgefunden hat.«
Er zieht einen Stoß Kopien aus einem Ordner und verteilt
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