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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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absolut niemanden. Wenn sie sich etwas
vornimmt, kann nichts sie aufhalten. Schon damals, als sie sich auf eine
standesamtliche Hochzeit versteift hat, hat sie uns ganz aus dem [248]  Konzept
gebracht. Aber jetzt ist es noch schlimmer. Du bist Polizist, Kostas. Bring sie
zur Räson!«
    Gerade als ich ihr etwas erwidern will, schnappt mir Adriani den
Bissen vor der Nase weg. »Fanis ist wie ein eigener Sohn für uns, Sevasti, und
es schmerzt mich, wenn ich merke, dass für euch Katerina immer noch eine Fremde
ist. Vielleicht habt ihr euch die Zukunft eures Sohnes anders vorgestellt, aber
daran sind weder wir noch Katerina schuld. Jedenfalls kann ich es nicht
hinnehmen, wenn ihr in meinem eigenen Haus meine Tochter beleidigt.«
    »Es tut mir leid, da hast du mich falsch verstanden, Adriani«,
entgegnet ihr Sevasti. »Ich habe nur gesagt, dass Katerina ihre Entscheidungen
sehr oft ganz allein trifft, ohne die anderen mit einzubeziehen. Doch
beleidigen wollte ich niemanden, schon gar nicht in seinem eigenen Haus. Wir
kommen vielleicht aus der Provinz, aber wir wissen, was sich gehört.«
    Sie springt auf und läuft ins Badezimmer, um ihre Tränen zu
verbergen. Adriani eilt ihr hinterher.
    »Nicht doch, Sevasti…« Sobald die beiden um die Ecke verschwunden
sind, rückt Prodromos auf dem Sofa neben mich.
    »Unternimm etwas, Kommissar«, murmelt er mir leise, fast flüsternd
zu. »Es darf nicht sein, dass unsere Kinder auswandern und wir uns völlig
zerstreiten und dass wir, anstatt uns gegenseitig zu trösten, kein Wort mehr
miteinander sprechen.«
    Ich bleibe ihm die Antwort schuldig, nicht weil er unrecht hätte,
sondern weil meine Nerven blank liegen. Prodromos rückt noch ein Stück näher an
mich heran.
    [249]  »Mache ich Katerina vielleicht einen Vorwurf? Warum sollte ich?
Keine Ahnung, ob sie zu Hause tatsächlich das Sagen hat, wie meine Frau
behauptet. Aber wer, glaubst du, hat bei uns zu Hause die Hosen an? Ich
vielleicht?« Dann blickt er mich still an. »Deshalb sage ich dir: Du bist
Polizist, also tu was!«
    Klar, sage ich mir, in Griechenland löst die Polizei sämtliche
Probleme. Vom Familienstreit bis zum schweren Verbrechen, von der illegalen
Immigration bis hin zu den Randalen der Demonstranten – in allen Belangen wird
Hilfe und Rettung einzig und allein von der Polizei erwartet.
    Als wir uns kurze Zeit später zum Abschied erheben, liegen sich
Sevasti und Adriani in den Armen. »Verzeih mir, Adriani«, sagt Sevasti. »Nein,
du musst mir verzeihen«, erwidert Adriani. Sie vergeben einander ihre Sünden
und verabschieden sich mit einem Kuss.
    »Also, wie besprochen«, wispert mir Prodromos verschwörerisch zu,
während er mir die Hand drückt.
    Sobald Fanis’ Eltern aus der Tür sind, verwandeln sich Adrianis
nette Abschiedsworte in eine Gardinenpredigt.
    »Siehst du, was unsere Tochter da angerichtet hat?«, schimpft sie.
»Um ein Haar hätten wir uns mit Fanis’ Eltern überworfen.«
    »Trotzdem hast du sie verteidigt«, kontere ich.
    »Das sind zwei Paar Schuhe. Ich lasse nicht zu, dass Sevasti über
meine Tochter herzieht. Wenn ich sie selber kritisiere, ist das etwas anderes.«
    Darauf erwidere ich nichts. Insgeheim gebe ich Prodromos recht:
Weder sie noch wir wollen, dass unsere Kinder Griechenland verlassen. Sollten
sie wirklich [250]  auswandern, werden wir noch einige bittere Pillen zu schlucken
haben.
    Mir fällt nur ein einziges Gegenmittel ein. Doch ich bin mir nicht
sicher, ob es wirkt.

[251]  33
    Als ich eintreffe, ist Sissis beim Blumengießen. Die
Uhrzeit meines Besuchs habe ich mit Absicht gewählt, weil ich weiß, dass er das
immer am frühen Vormittag oder nach Sonnenuntergang tut, und zwar prinzipiell
zu allen Jahreszeiten. Bei der Gartenpflege ist er nämlich gut gelaunt, und
sein üblicher Eigensinn tritt in den Hintergrund.
    Als er bemerkt, dass ich die Gartentür aufstoße, unterbricht er seine
Tätigkeit. »Na so was! In aller Herrgottsfrühe?«, wundert er sich.
    Halb zehn Uhr vormittags ist zwar nicht wirklich in aller
Herrgottsfrühe, doch ich gehe nicht weiter darauf ein. »Ich bin gekommen, weil
ich etwas mit dir besprechen muss«, antworte ich.
    »Wenn du auf der Suche nach dem nationalen Steuereintreiber bist,
kann ich nur sagen: Leider hatte ich bisher noch nicht das Vergnügen, seine
Bekanntschaft zu machen.«
    »Du stehst doch sicherlich auch auf der Seite dieses Volkshelden,
oder?«, necke ich ihn.
    »Ob er wirklich ein Volksheld ist, kann ich nicht sagen.

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