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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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sich doch, mir eine F ünf oder
was zu geben . Das kenne ich. Nicht mal
Frau Pufesiel würde mich jemals rauswerfen. Wenn der Mensch ein Gewohnheitstier
ist, dann ist der Lehrer eine etwas primitive Maschine, störanfällig, nicht
umprogrammierbar, aber leicht zu manipulieren.
    Ich bin froh, solche Dinge
nicht über Mama oder Papa sagen zu müssen, wie Ella, die, als ich ihr meine
Überlegung kundtat, sofort nickte: »Wie meine Eltern.« Ich wollte schon sagen,
kein Wunder. Ich meine, die sind ja auch Lehrer. Aber ich glaub, ich hab auch so ganz
schön Glück gehabt, also, objektiv betrachtet und das ständige Angenervtsein,
was wiederum sie annervt, was wiederum mich annervt, außer Acht lassend. Das
scheint ja normal zu sein. Angeblich befinde ich mich ja immer noch in der
Pubertät. Täterät. Schon das Wort klingt nach ausgedrückten Pickeln und
sexuellen Nöten. Eins von beiden habe ich nicht.
    Mama vorhin wieder: »Lad die beiden
doch mal zu dir ein«! Ich überlegte, ob ich jetzt eine Ausrede erfinden müsse
oder mich einfach weigere. Bei Ersterem kommt die Anstrengung davor, bei
Letzterem danach. Ich entschied mich für einen etwas schwachen Kompromiss: »Wir
sind jetzt aber schon bei Ella verabredet.«
    Mama wusste offenbar auch
nicht recht, ob das jetzt Fisch oder Fleisch war, und brachte nur ein »Aber«
hervor, aber da war ich schon halb aus der Tür. Hin zu Ella und ihrem
Blümchenkaffee, dem roten Sessel.
    Und jetzt: sitze ich zur
Rechten Pauls des Unfassbaren, und es kommt mir heute vor, als sei das schon
immer so gewesen, als hätte es nie etwas anderes gegeben, beziehungsweise
anders: nicht, als wäre seit einer kurzen Weile etwas Besonderes, sondern endlich
sozusagen der Normalfall wieder eingetreten, der Soll-Zustand, nach einer
unnütz langwierigen Unterbrechung. Wie bei Weihnachten: Wenn es endlich so weit
ist, man das ganze Weihnachts-, Lichter- und Liederzeug wieder hervorkramen
darf, nachdem man schon im September einen ersten Sehnsuchtsanfall danach
hatte, mag man gar nicht mehr an das Vorher denken, jeder Gedanke an den
Sommer zum Beispiel lässt einen schaudern. An das Nachher erst recht nicht. Ein
Nachher ist schlichtweg nicht denkbar. Zumindest gings mir früher so.
Weihnachten war das Eigentliche, das Absolute, die wahre Zeit, die endlich
nächtliches Aufstehen, Sportunterricht und die ganze Ungerechtigkeit und Öde
der Welt überwindet. Aber seit ein paar Jahren verblasst auch diese letzte
Absolutheit der Kindheit immer mehr, und schon am Dreiundzwanzigsten schleicht
sich der Gedanke ein, dass es alles sehr bald vorbei sein wird, dass es sich
auch hierbei um etwas Vorübergehendes handelt, dass es einen Januar gibt, einen
nächsten ätzenden Sommer.
    Ich frage Paul: »Wie kommt
dein Vater voran?«
    Er hatte neulich erzählt, dass
sein Vater tatsächlich versucht, die Leute hier auszuquetschen, nach
irgendwelchen verschollenen plattdeutschen Wörtern und für seine
Uwe-Johnson-Arbeit. Ich habe ihn auch selbst schon die Dorfstraße
langschlendern sehen, wirklich schlendern, womit er wahrscheinlich sofort neun
von zehn Sympathiepunkten verspielt hat, »dei het woohl nix to daun!«, und der
letzte dürfte ihm spätestens dann abhandengekommen sein, als er anfing, den ersten
»uttauhörchen«.
    »Überhaupt nicht«, sagt Paul.
    Und dann sagt er: »Aber
Ingrid, also, meine Mutter.«
    Von zwei Dingen auf einmal
verwirrt zu werden, macht es einem auch nicht gerade leichter, unbefangen zu
reagieren. Meine Entscheidung ist instinktiv: »Du sprichst deine Mutter mit Vornamen
an?«
    Paul zögert, er hat
anscheinend die andere Frage erwartet.
    »Nein, also, nicht immer.
Eigentlich, ich soll >Mum< sagen, aber manchmal ich sag Ingrid, und wenn
ich denke über sie, also, du verstehst? Ich finde, >Mum< passt nicht zu
ihr.«
    »Einer will das Haus kaufen?«,
fragt Ella.
    T hat's the
question.
    »Ja«, sagt Paul. »Sie hat
jemand gefunden, vielleicht.« Vielleicht. Der Abend des sechsundzwanzigsten
Dezember. »Also fahrt ihr bald?«
    Ella! Musste das sein? Wie
soll ich denn jetzt noch ...
    Paul sitzt da,
vornübergebeugt, die Arme auf den Knien, die Hände wie in einer Bittgeste
aneinandergelegt, ernst und schön, es steht ihm sehr gut. Er nickt, langsam und
schön wie sein Lachen, und Ella seltsamerweise auch, sie fällt, so scheint es,
fast zufrieden in dieses Nicken ein.
    Okay. Okay, okay, okay. Cool
bleiben jetzt. Jetzt ist jetzt. Wie war das? A lles hat
seine Z eit , genau. Die Bibel. Die
Puhdys. S

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