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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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aber anscheinend mehr als Ellas Vater, der wohl schon ein paar
blöde Bemerkungen über Paul losgelassen hat. Als ich sie fragte, was denn, da
ich mir gar nicht vorstellen kann, was es da Negatives zu bemerken gibt, hat
sie bloß abgewunken. Wirklich, es ist mir unbegreiflich, wie jemand Paul nicht
gutfinden kann, was auch fast wieder ein Problem darstellt, denn wie gut Mama
ihn findet, muss ich mir ja täglich nicht nur ansehen, sondern auch anhören.
Sie würde ihn umstandslos als Schwiegersohn akzeptieren, und wie bitte sollte
ich diesen Umstand akzeptieren?
    Wir nehmen an einem der Tische
Platz, die nicht mal zur Hälfte besetzt sind, wer auf sich hält, steht an der
Bar. Mit einigem Erstaunen gucke ich auf Ellas Kartoffelsalat. Die scheinen
sich ja beide recht wohl hier zu fühlen, sie und Paul, während ich mir wie die
weiße Massai vorkomme. Ich dachte vorher, na gut, gehen wir hin, das ist die
Gelegenheit, es mal zu sehen, auch wenns da nichts zu sehen gibt, aber dann
weiß man wenigstens, worüber man spricht, abfällig, wir setzen uns ja nichts
aus, wir tun einfach so, als machten wir es für Paul, eine Art touristische
Führung. Oder wie man zusammen in so ein bierernstes Museum spaziert, einzig
mit dem Zweck, sich mutwillig über die Exponate lustig zu machen. Und dann
lacht man unversehens alleine und kommt sich plötzlich sehr dumm vor und hofft,
dass es sich umgekehrt verhält. Dass Paul das hier alles nicht sehr merkwürdig
zu finden scheint, wundert mich zwar, aber dass Ella sich wie in die Normalität
schlechthin hineinhockt, stimmt mich beinahe misstrauisch.
    Auf einmal entdecke ich Pauls
Vater und in ihm schlagartig einen Verbündeten, denn für sein Hiersein, das mir
wie ein Zeichen der Errettung vorkommt, wie ein bestimmtes Element im Traum,
das einen plötzlich wissen lässt, dass man träumt und also nicht wirklich zu
dieser seltsamen Gesetzen gehorchenden Welt gehört, dafür also kann ich mir
keinen anderen Grund denken als eben einen, der meinem nah verwandt sein muss.
Ich stupse Paul an: »Dein Vater ist da«, ich sage es ganz unwillkürlich so,
als müsste das auch ihn erlösen. Er guckt aber nicht mal hoch, ich sehe bloß,
wie er mit den Augen rollt, als er sagt: »Ich weiß - field research, you know«,
woraufhin er ein großes Stück von seiner Wurst abbeißt. Er macht »ha-ah« und
wedelt mit der Hand, sagt »heiß« und »gut« und wirkt insgesamt sehr
beschäftigt. Dann hält er sie mir hin, die Wurst: »Möchtest du probieren?« Er
lächelt. Ich starre auf dieses rosabraune, fettig glänzende, längliche Etwas,
das sich Bockwurst nennt und in seiner ganzen Art schamlos auf seinen
kreatürlichen Ursprung verweist, ja, fast selber noch Kreatur oder, schlimmer,
eins ihrer abgetrennten Glieder zu sein scheint, ein pralles Körperteil. Ich
neige mich vor und nehme die Wurst vorsichtig zwischen meine Zähne, ich
versuche, sie nicht mit den Lippen zu berühren, und komme mir doch, ich weiß
auch nicht, wieso - obwohl ich natürlich weiß, wieso -, ungeheuer obszön dabei
vor. Dann knackt es,und ich habe ein Stück davon zwischen Zunge und Gaumen.
Bock-Wurst. Stier-Bier.
    Gleich darauf schwenkt Paul
die Wurst zu Ella, aber sie will nicht. Sie guckt ihren Kartoffelsalat an, dann
zeigt sie, den Mund voll, mit der Gabel drauf und blickt hoch zu Paul, fragend.
Er nickt, langt rüber, und ich sehe zu, wie Ellas Gabel in Pauls Mund
verschwindet. Und wieder zurückwandert in Ellas Hand. Ellas Mund. Ella schiebt
mir den Teller hin. Ich schüttle den Kopf, »na los«, sagt Ella, und ich nehme
schnell einen Haps. Er schmeckt erstaunlich gut. Er schmeckt wie - das ist
unser Rezept! Ohne Eier, mit Gurken, und »DDR-Mayonnaise«, wie Mama das nennt,
als hätte sie gleich neben der Garage einen Bunker mit Restbeständen. Ich gehe
zu ihr.
    »Einmal unsern Kartoffelsalat.
Bitte.«
    Sie grinst mich an. »Nimm doch
auch ne Wurst.«
    Wobei sie den Satz so intoniert,
als wolle sie mich nicht in erster Linie zu einer Wurst, sondern zu einem
>Auch< überreden, einer ganz speziellen Ware, die es nur unterm
Ladentisch gibt. Womit mir klar ist, dass sie das eben alles live und in Farbe
mitbekommen hat.
    »Ich will keine Wurst«, sage
ich, und es klingt so bockig, wie nur Lügen klingen können. Ich bin
hergekommen, um zu beobachten. Nicht, um auch unter Beobachtung zu stehen.
Betonung auch auf >auch<.
    Aus dem Augenwinkel sehe ich
Ecki und Konsorten das Zelt entern. Das fehlt ja grade noch. Oh Scheiße. Mama
merkt

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