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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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auch sofort wieder alles und sagt: »Die tun dir doch nix!«
    Nein, die tun mir nix, oh
Mann! Als ob es darum ginge! Aber wieso denk ich da erst jetzt dran? Wie doof
bist du denn eigentlich, Romy? Regel Nummer zweihundertsiebenunddreißig: Wenn
deine Mutter Jugendclubleiterin ist, kannst du nicht auf die Elpe gehen. Warum
nicht? Darum nicht. Dass diese Regelverletzung bisher noch nicht geahndet
wurde und mir deshalb noch gar nicht richtig zu Bewusstsein gekommen ist, liegt
ja bloß daran, dass bisher noch nicht wieder Club war, weil Mama Urlaub hatte.
Das war schon anstrengend genug. Aber jetzt auch noch täglich zu zittern, dass
Mama mich, ausführlich in Kenntnis gesetzt von IM Gartenzwerg alias Ecki und
seinen Helfershelfern, über meinen außerplanmäßigen Elpebesuch zur Rede stellt,
ach was, auch nur anspricht, geht über meine ohnehin angegriffenen
Seelenkräfte. Dass sie erfährt, dass ich da war, ist das eine und vielleicht
gar nicht so Uninteressante, denn ich wäre gespannt, ob sie dann immer noch die
Ansicht verträte, ich solle mehr unter die Leute, oder ob sie dann anfinge,
bestimmten Individuen den >Leute<-Status abzuerkennen. Grenzen zu setzen,
was ja mal etwas direkt Erfrischendes hätte. Das andere, den reinen Umstand
unangenehm Überlagernde wäre natürlich das Gesprächsprotokoll. Die Hasen und
so weiter. Selbst Mamas gelassenste Reaktion darauf stellte immer noch eine
schwere Heimsuchung dar, wenn nicht gar die schwerste: Sie würde vielleicht
darüber lachen, es höchst amüsant und ein wenig schockierend finden, was die
einfallsreiche Tochter sich da wieder ausgedacht hatte, und: sie würde
beifällig nicken, »stolz« auf mich sein, mir förmlich auf die Schulter
klopfen. Dafür, dass ich mir »von den Jungs nix gefallen« lasse, dass ich
endlich »Selbstbewusstsein« bewiesen hätte, und alles mit dem Untertext:
Siehste! Oh, wie sie alle, allen voran unser Geschichtslehrer Herr Jürg, immer
um mein »Selbstbewusstsein« besorgt sind, es stets und ständig stärken wollen,
zum Beispiel, indem sie mir schon jetzt andeuten, ich solle doch die
traditionell vor Ostern fällige Judika-Rede halten. Herr Jürg zwinkerte mir zu.
Herr Würg. Mir wurde wirklich übel, als er noch hinzufügte: »Sollst mal sehen,
wie gut das für dein Selbstbewusstsein ist! Du kannst das doch!« Ich frage
mich, ob ich mir eine derartige unausgesetzte Beleidigung eigentlich bieten
lassen muss, und versuche mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass Leute, die
keine Ahnung haben, einen eigentlich auch nicht beleidigen können. Ich meine,
weiß Jürg irgendetwas über mich, außer dass ich seit der Neunten Geschichte bei
ihm hatte und zwischenzeitlich auch mal Deutsch? Die Antwort ist ein
uneingeschränktes Nein. Da weiß ich ja noch mehr über ihn, logischerweise, weil
einfach mehr dabei herauskommt, wenn hundert einen beobachten als umgekehrt.
Zum Beispiel, dass er sich seine Schnotterbremse färbt. Lächerlich! - Natürlich kann ich es; ich weiß nicht, was
sie alle dazu treibt, mich zu Sachen ermutigen meinen zu müssen, die mich schlichtweg
nicht interessieren! Woher kommt bloß dieser unerschütterliche Glaube, dass
das, was man kann, auch das ist, was man will? Beziehungsweise umgekehrt: dass
gewisse Defizite, die man auf einem Gebiet aufzuweisen scheint - zum Beispiel
auf dem der Busenfreundschaft samt Bussi links und rechts mit Hinz und Kunz -,
zwangsläufig auf Unvermögen zurückzuführen seien. Und nicht auf Unwillen.
    Ecki hat mich jetzt entdeckt
und grinst. Er kommt gemächlich auf uns zugeschlendert, ich starre wie das
Kaninchen auf die Schlange. Hasen, Romy, Hasen. Blitzschnell schlage ich einen
Haken und fasse Mama scharf ins Auge. »Hör zu: Egal, was sie dir erzählen -
glaub es. Wenn du willst. Aber glaub nicht, dass ich irgendwelche Fragen dazu -
oder zu interessanten verwandten Themen - beantworten werde. Es geht mir gut
und es gibt keinen Anlass zur Sorge, und wenn du denen glauben kannst, dann
kannst du auch mir glauben. Ende der Durchsage.«
    Zwar hege ich noch die leise
Hoffnung, die Erinnerung an diesen Elpe-Abend könnte sich bei Ecki und
Konsorten inzwischen verflüssigt haben, in Rauch aufgegangen sein oder
zumindest in den Normalfall, nämlich meine Neigung, solchen Angelegenheiten
stets eine viel gravierendere Bedeutung zuzumessen als alle anderen - ich weiß
auch nicht, warum mir alles so unverhältnismäßig an die Nieren geht. Aber so
was behalten die, so was geht in die magere

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