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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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in
Einheitlichkeit oder Einsamkeit. Du wolltest es sehen: dein Alleinsein, ganz
und ohne Risse, ohne auch nur eine fadenscheinige Stelle. Du zogst es an und
gingst hin. Deine Mutter saß in der Küche und versuchte wieder, in deine Augen
zu sehen, aber sie sagte nichts, als du auch nichts sagtest, nur weggingst. Als
du wiederkamst, saß sie nicht mehr da. Daran kannst du dich nicht erinnern.
    Es war voll, voller als auf
jeder Versammlung, diese schwänzte keiner. Das ließ sich keiner entgehen. Dich
anzusehen. Du brachtest schon wieder etwas durcheinander. Es war doch kein Plan
gewesen. Keiner, von dem einer was gewusst hätte. Also eine Überraschung. Du
erkanntest nicht sofort alle, du tratest vom Dunkeln ins Helle, du sahst sofort
weg. Ihn konntest du nicht erkennen, also war er nicht da. Es machte dir nichts
aus. Aber es brachte dich auf einen Gedanken, den du erst beiseite schobst, in
den ersten Schnaps tunktest wie in Vergessen, der dir aber gleich wieder
einfiel, als er später doch noch auftrat. Applaus. Wie hätte er fehlen dürfen,
der Sohn des Bürgermeisters. Du warst dir sicher, du wärst nie auf diesen
Gedanken gekommen, wäre er von Anfang an dagewesen. Hätte er dich von Anfang an
nicht angeguckt. Es war kein Plan, gewesen.
    »Einen Schnaps, bitte«,
sagtest du zum Kneiper, als du dich an die Bar setztest. Zu Eddi, dem Älteren
der beiden Storcks, er war dir lieber.
    »Frollein Ingrid!«, sagte Eddi
Storck. »Na, dat is ja mal ne Überraschung!« Er blinzelte dich an, als könne er
dich durch den Qualm nicht richtig sehen, kaum ausmachen, ob du es warst. »Also
...« Du hattest den Eindruck, er mochte dich. Trotzdem brauchtest du dir von
ihm nichts gefallen lassen.
    »Einen Schnaps, bitte, hab ich
gesagt.«
    »Ja - ja ja.« Seine Hände
flatterten hin und her wie seine Augen. Du wolltest nicht das achte Weltwunder
sein. Du wolltest allein sein. Sichtbar für alle.
    »Nen Pfeffi, Frollein Ingrid?«
Eddi Storck ging dir auf die Nerven. Er wollte bloß nett sein. Du wolltest
etwas anderes.
    »Einen Klaren. Doppelt.« So
musstest du nicht gleich wieder seine hellbraunen Augen bemerken, die
aufgescheucht in ihrem engen Gehege umherflitzten wie Wachtelküken.
    Der Schnaps war scharf und
gut. Du trankst sonst keinen Alkohol, wann denn. Du spürtest ihn in der Kehle,
im Magen, das war gut. Es war so, wie du es wolltest. Wie es auch mit ihm
gewesen war, am Anfang. Nichts, was sich erklären ließe.
    Du knalltest das Glas auf die
Bar, es knallte von alleine, du wolltest das nicht, nicht wie in einem billigen
Western. Dir war, als übertöne das Knallen alle Geräusche im Saal, alle
Gespräche, über dich. Was bildetest du dir ein.
    »Noch einen«, sagtest du
leise. Eddi sah dich erschrocken an. Beim Einschenken ging ihm die Hälfte
daneben. Der machts hier auch nicht mehr lange, dachtest du. Das >auch<
fiel dir nicht weiter auf.
    Er schob sich plötzlich in
deinen Augenwinkel, zusammen mit ein paar anderen, die ihn weiter und weiter in
dein Blickfeld drängten, aber du ließest es nicht zu, du drehtest den Kopf
Stück für Stück in die andere Richtung, justiertest ihn genau so, dass gerade
er, geradeso noch darin blieb, und verschwommen blieb. Ein Verschwommener. Der
Hecht im Karpfenteich, verirrt. Hechte sind Kannibalen, das wusstest du von
Peter. Aber du warst nicht von seiner Sorte, er erkannte dich nicht. Du warst
wie ein Kind, das denkt, wenn es die anderen nicht sieht, können es auch die
anderen nicht sehen. Wenn er bei dir lag, kniffst du die Augen zusammen,
hängtest ihm einen Wimpernschleier um, so mochtest du ihn am liebsten. Wenn er
aufbrach, nervös, hastig, drehtest du dich ebenso hastig um. Du warst nicht
nervös, du wusstest nicht, was das bedeuten soll.
    Als du dich umdrehtest, kniffst
du die Augen zusammen, vielleicht war es eine Angewohnheit. Du sahst in den
Saal wie in die Sonne. Jeder musste denken, dass du gerade ihn fixiertest.
Gerade ihn fixiertest du nicht, aber auch sonst niemanden, du zeigtest dich.
Aber niemandem. Du warst für niemanden da. Du musstest das nicht verstehen. Du
warst da.
    Es war Neumond. Zuerst sahst
du nichts als das Flackern der Laterne, ein Wackelkontakt, vielleicht nicht mal
das. Das Wort >nervös< fiel dir wieder ein. Nein. Du hattest in Ruhe
deinen letzten Klaren getrunken, er brannte kaum noch, alles lässt nach,
hattest du gedacht, dann warst du vom Hocker geglitten, deine Beine waren lang
genug, dass du nicht albern hattest herunterhopsen müssen, dann warst

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