Zander, Judith
Zeitverschwendung, über eine solche auch noch eingehend nachzudenken.
Also sei nur noch Folgendes zum Thema angeführt:
Irgendwann tauchten auch die
anderen auf. Das Bowlingspiel entwickelte sich zu einer öden Art von Fiasko.
Niemand außer mir zeigte Interesse daran. Als wir um zehn gehen »mussten«, war
dies mit einer allgemeinen Erleichterung verbunden. Beate hatte noch eine
Freundin von sich samt ihrem Freund und wiederum dessen Freund mitgebracht. Das
Essen im Gemeindehauskeller wurde auch von ihnen gut angenommen. Der dadurch
hervorgerufene Mangel an Tellern verurteilte mich zum Zugucken und
anschließendem hastigen Auslöffeln meiner Käsesuppe, während die ersten schon
darauf warteten, sich verabschieden zu können. »Aber iss mal ruhig erst noch
auf.« Christine hatte ursprünglich gleich im C lub bleiben wollen, weil sie dort
mit ihrer Freundin zur Oldie-Party verabredet war, ein Ereignis, das ungefähr
alle zwei Wochen stattfindet, und ich habe immerhin einmal im Jahr Geburtstag,
das ist ja nun schon übertrieben oft. Folglich hatte ich es als große Gnade zu
betrachten, dass sie sich doch noch bequemte, sich meiner vorbereiteten Speisen
zu erbarmen. Der Rest der Gratulanten rutschte noch eine halbe Stunde wie
unfreiwillige Abgesandte, die die Stellung halten sollen und es nicht schnell
genug geschafft hatten, sich zu weigern, auf den beige-braun gemusterten
Gemeindehausstühlen hin und her und versuchte, die Unterhaltung zur Aufrechterhaltung
der freundschaftlichen Beziehungen mit Austausch über nicht Anwesende zu
bestreiten.
Dann bin ich allein. Ich lege
die Beatles ein. Ich schiebe den Volume-Regler weit über die Mitte der Skala
und singe laut H elp ! mit. Und alle folgenden
Songs. Ich singe alle Stimmen, ich bin John, Paul, George und Ringo, ich spiele
alle Instrumente. A nd I feel fine. -
Ich war erst ein paar Schritte
vom Haus weg vorsichtig den dunklen Weg zur Straße entlanggetappt, als ich
Konny sah. Er kam mit großen, wippenden Schritten und vornübergebeugt direkt
auf mich zu und bemerkte mich doch erst, als er fast mit mir zusammenstieß.
»Nanu, Romy! Was machst du
denn hier draußen? Ist dir nicht gut? Ich wollte gerade mal vorbeischauen, mal
hallo sagen wenigstens, hatte ich ja versprochen, oder?«
Ich guckte auf sein
überdimensionales Ohrläppchen. »Du kannst wieder nach Hause gehen«, sagte ich,
und das Du kam mir zum ersten Mal nicht komisch vor, mir war, als spräche ich
mit einem Kind. »Es ist vorbei.«
Schon an der Straße angelangt,
hörte ich Konny rufen: »Herzlichen Glückwunsch übrigens!«
Im orangen Licht der
Straßenbeleuchtung schwamm ich nach Hause, und meine ganze Aufmerksamkeit
konzentrierte sich auf meinen Schatten, der beim Passieren einer Laterne
langgezogen vor mir lag, auf dem Weg zur nächsten stetig schrumpfte und, wenn
ich die Hälfte überschritten hatte, plötzlich hinter mich zurücksprang, womit
das Spiel in meinem Rücken von neuem begann. Als ich schließlich aufsah, zogen
die geheimnisvollen Anlagen der Zuckerfabrik meinen Blick an, die wie von innen
heraus blaugrün leuchteten und kurz vor ihrem Start in eine andere Galaxie zu
stehen schienen.
Am nächsten Tag ging ich
aufräumen, und beim Anblick der sogenannten Geschenke, die noch zwischen den
resteverklebten Gläsern und Tellern, den Zerfallsprodukten von Kuchen und
Knabberzeug rumlagen, überlegte ich kurz, ob sie den gleichen Weg wie die
zerknüllten Servietten und anderen Abfälle gehen sollten. Aber dann beschloss
ich, sie mitzunehmen, mit in die Umzugskartons zu packen und sorgsam
aufzuheben, als kuriose kleine Mahnmale, denn auf ihre Art waren sie wirklich
denkwürdig. Anjas etwas läppischer Kalender nahm sich noch verhältnismäßig
gut aus gegen die Kerze in Apfelform mit Apfelduft von Beate, eine Idee, die
ihr Gehirn nicht halb so strapaziert haben dürfte wie mein ästhetisches
Empfinden. Das Schärfste war eigentlich das gemeinsame Geschenk von Nadine und
Christine: ein blaues Teelichtgefäß auf einem blauen Plasteuntersetzer nebst
drei blauen Glasperlen, zu einem geschätzten und von Mama bestätigten Preis
von zehn Mark. Nicht nur, dass ich jeder von ihnen nicht mehr wert war als ein
großes Eis, es ist ja auch so originell, derartig nämlich, dass man dieses edle
Objekt ruhig öfter mal als Geschenk zur Anwendung bringen kann, ein Gedanke,
der dazu geführt hatte, dass bereits drei dieser Dinger in verschiedenen
Farbausführungen bei mir zu Hause Staub fingen. Es hätte
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