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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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der Beginn einer
wunderbaren Sammlung werden können. Der Satz bei der Übergabe: »Es ist nicht
viel, aber es kommt von Herzen!« brachte mich ziemlich in die Bredouille, denn
ich wusste nicht, ob ich erst lachen und mich dann erbrechen sollte oder umgekehrt.
    Die größte Ernüchterung
bescherte mir allerdings Susanne, von der ich doch immerhin etwas mehr Stil
erwartet hätte, wenn schon nicht mehr Ehrlichkeit. Neben einem Paar Socken von E rnsting's F amily schenkte sie mir ein Buch von
Ingrid Noll, D ie H äupter
meiner L ieben . Nicht lange vorher war
Ingrid Noll Gegenstand einer Pausenunterhaltung zwischen uns gewesen, die
eindeutig, aber offenbar einseitig zu der Erkenntnis geführt hatte: Ingrid Noll
und ihre Erzeugnisse bilden exemplarisch die Wasserscheide in unserer
Freundschaft und ein unüberwindliches Sympathiehindernis für mich. Was aber
diesem kaum mehr zu überschauenden Höhenzug zwischen uns noch einen
zusätzlichen Kamm aufsetzte, war die Tatsache, dass besagtes Buch zahlreiche
Kniffe und Rillen auf seinem Rücken aufwies und somit nicht mehr ganz taufrisch
sein konnte, sondern schon eine Weile in Susannes Bücherschrank zugebracht
haben musste, und nicht nur das. In dieser späten Vormittagsstunde hatte ich
nicht wenig Lust, die Häupter meiner lieben Freundinnen über den verklebten
Laminatboden rollen zu sehen.
    Kurz vor Susannes achtzehntem
Geburtstag dieses Jahr verfestigte sich in mir die Idee, ihr ein neues Buch
und ein getragenes Paar Socken zu schenken. Aber dann war sie gar nicht da,
sondern mit ihren Eltern nach Venedig gefahren, und später hat sie die Feier
auch nicht nachgeholt, und wenn doch, so war ich jedenfalls nicht eingeladen.
    Ich habe keine Ahnung, wen ich
zu meinem achtzehnten Geburtstag einladen soll.
    Auf Ellas Schreibtisch liegen
verstreute Blätter, Zeichnungen, stimmt, das kann sie. In der Schule hängen ein
paar Bilder von ihr an den Flurwänden, die nie einer anguckt. Und obwohl ihr da
keiner das Wasser reichen kann und sich die anderen Exponate aus dem
Kunstunterricht wie Kinderkrakeleien ausnehmen, treibt es wohl auch in diesem
Fach - man kann ja nicht abschreiben - die anderen nicht gerade zu ihr. Wieso
eigentlich, was ist falsch an ihr, ich weiß das selbst nicht mehr so genau. Wie
sie jetzt so mit dem Kuchen reinkommt, denk ich, es könnte sie doch einer
heiraten, bald. Sie sieht auf einmal sehr erwachsen aus. Wie eine echte Frau.
    »Paul ist da«, sagt sie, ich
merke, wie sie sich freut. Ich lausche seinen Schritten auf der glatten Treppe,
und jeder Schritt löst ein kleines Ziehen in meinem Magen aus, das mir sagt,
dass ich kein Stück von Ellas Kuchen runterkriegen werde. Hast du ihn auch vom
Fenster aus gesehen, will ich fragen, verkneife es mir aber und nehme mir ein
Stück Kuchen.
    Paul kommt rein, wir sagen
»hallo« und »na«, ich bin wieder mal von den Socken, er sieht wirklich aus wie
... Als wir am Sonntag mit ihm in Anklam waren, ihm die Stadt gezeigt haben,
das heißt die paar Ecken, bei denen man zumindest nicht sofort vor Scham im
Boden versinken möchte, hatte ich förmlich erwartet, dass uns alle Leute
hinterhergucken würden, fassungslos. Aber es war nur wie immer: ausgestorben.
Außer ein paar rumlungernden Nazis, dreieinhalb Rentnerpaaren und einem
Togolesen auf einem Fahrrad gab es kein sichtbares Leben, und ob es noch
irgendwo verborgenes gab, zum Beispiel in den »Arbeiterschließfächern« rund um
den Markt, wo es doch auch gar keine Arbeiter mehr gibt, war mehr als
zweifelhaft. Wir gingen ins S ansi- B ar , das einzige Cafe am Ort,
Paul guckte das Schild an und grinste. Der Schöpfer dieses Namens gehört
wirklich bestraft, mehr aber noch der des E isbechers S ansi- B ar , und sollte mich nicht
wundern, wenn es sich dabei um denselben handelt. Ich konnte Paul nur dringend
von einer Bestellung dieses blauorangenen krokantkontaminierten Ekelpaketes
abraten. Und auch noch die drei verbliebenen Möglichkeiten ausführlich
diskutieren, denn bis die schlappe Bedienung auftauchte, verging eine gute
Viertelstunde. Und ungefähr das Doppelte, bis wir das, was das Servierfräulein
mit hochgezogenen Augenbrauen notierte, als erdreisteten wir uns gerade, das
Allerausgefallenste aus den antipodischen Gebieten zu ordern, endlich vor uns
stehen hatten. Wahrscheinlich können sie nur den E isbecher S ansi B ar.
    »Probier mal den Kuchen, sehr
lecker«, sage ich hastig und übermütig zu Paul. Ich bin es einfach nicht
gewohnt, dass mich jemand länger

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