Zander, Judith
Der Polen-Wachlowski. Keine Ahnung, wieso. Die hat alles für den
gemacht. Für den Kuhdoktor. Manchmal denk ich, könnt Britta sich mal ne
Scheibe von abschneiden. Aber sagen tu ich das nicht, bloß nicht, nee! Naja.
Britta hat wahrscheinlich auch nicht grade Angst, ich könnt ihr weglaufen.
»Der Pole«! Den Namen hatt ich
weg. Ich glaub, sagen die heut noch, aber nicht, wenn ich dabei bin. So was
wirste ja doch nie los. Und eine Schiss haben die, eh. Das kriegen die auch
nicht aus den Knochen. Die denken, eines Tages kommt der Pole rüber mit Kind
und Kegel und klaut alles weg, was nicht niet- und nagelfest ist, das schöne
Westauto und den Fernseher, ogottogott. Das ging doch schon immer so. Wenn das
früher immer hieß, »dei sünn woll ut Hinnerpommern!«. War ne schwere
Beleidigung. Dabei waren das ja auch alles Deutsche, so von Rechts wegen. Aber
da dachten die wohl, das hat schon abgefärbt auf die, das Polackentum, dass die
nu auch alle Kleister anne Finger haben.
Und das waren ja nu echte
Polen, die Eltern von meim Vater. Aber weißte, selber schuld, sag ich. Wenn die
das hier nicht hinkriegen, sich nen eignen Tierarzt zu organisieren. Tja, da
kam denn eben der Pole Grzegorz Wachlowski. Kam, sah und siegte, wie man so
sagt. Der Schorschki. Auf Schorschki hat keiner was kommen lassen. Erstens mal
war er »de Dokter«, und n Polen-Doktor ist immer noch besser als gar keiner,
und für die Viecher war das ja wurscht, ob der nu polnisch rückwärts spricht
oder ordentliches deutsches Platt. Zweitens war er katholisch, und obwohl den
»Katholschen« ja ansonsten nicht übern Weg zu trauen war, warn die sich
komischerweise einig, dass grade das Katholischsein ihn davon abhalten würd,
den Viechern irgendwas anzuhexen. Nicht so wie der andre Halunke, den sie
davongejagt hatten, nachdem der halbe Kuhbestand an Fußfäule oder so was
eingegangen war, wodrauf die denn jahrelang ohne Tierarzt rumgewirtschaftet
haben, wobei noch mal die andre Hälfte der Viecher fast draufgegangen ist.
Zustände!
Aber Schorschki, den haben sie
denn richtig eingebürgert. Der hat sich auch einwandfrei angepasst; an der Uni,
wo der studiert hatte, da wurde nur Deutsch gesprochen, das konnte der schon
fließend, als er herkam, im Gegensatz zu seiner Agata, die hat sich hier ja nie
richtig eingelebt. Die hat man fast nie zu sehen gekriegt, sagen sie, und
besuchen mocht die auch keiner, man wusst ja nicht, was mit ihr reden. Ich kann
mich kaum an die erinnern. Ich weiß bloß noch, dass die mir als Kind immer
riesig vorkam und so aussah, als würd sie gleich inner Mitte durchbrechen.
Irgendwie kam die mir immer nicht wien echter Mensch vor, wie sie so
rumschlenkerte mit ihren langen Armen und durch die Gegend schwankte. Wie so ne
Holzpuppe, die du so an Fäden führst, ne Marionette, und denn hat sie ja auch
nie was gesagt, und wenn doch, hat mans nicht verstanden. Ich mocht das nicht,
wenn die mich anfasste, die hatte immer so kalte Finger.
Aber Schorschki, den mocht ich
ganz gerne. Der wollt mir immer alles erklären und hat mich mitgenommen in'n
Kuhstall und in'n Schweinestall, obwohl er da auch schon uralt war und
eigentlich gar nicht mehr gearbeitet hat, das hat da ja Vater schon gemacht.
Ich weiß noch, dass ich da immer n bisschen schissig war, ich dacht immer, dass
son Vieh mich beißt oder irgendwas. Mit den Viechern bin ich nie richtig warm
geworden. Ich wollt auch nie n Haustier oder so, und wie Thorsten mal ankam und
n Hund haben wollt, hab ich gleich gesagt, nee. Und schon gar nicht wollt ich
nu Tierarzt werden, auch wenn Vater das gern gesehn hätt. Na, und Mutter erst.
»Mensch, Jung, du hast doch dat Zeug dazu!«
»Wozu?«, hab ich gefragt.
»Na, zum Studiern!«
Achso, hab ich gedacht, darum
gehts. Dass aus dem Sohnemann nu auch was wird. Wo man stolz drauf sein kann.
Wo man n bisschen mit angeben kann. Darum ging das doch nur, all die Jahre,
Mann! Und was hab ich mich gequält. Bloß, dass Mutter auch am Ende wieder n
schönes Zeugnis zum Vorzeigen hatte. Von ihrem Vorzeigejungen. Dem die Schule
so leicht vonne Hand geht. Schwachsinn! Ging nie leicht. Das hab ich aber erst
so richtig an Thorsten gesehn. Da hab ich das erst kapiert. Wie das nämlich
aussieht, wenn einem das leichtfällt. Der hat nie gesessen und gelernt, kann
mich nicht erinnern. Und trotzdem eine Eins nach der andern. Zuerst hab ich ja
auch noch gedacht, das hat er von mir. Haben doch alle gedacht, Mutter sowieso,
auch wenn ich da schon der große
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