Zander, Judith
denn ja wohl nicht mehr
deine Mutter vorschicken!«
»Na, da kannste ja bloß froh
sein, dass ich mir eher die Radieschen von unten angucken werd als du, wa!
Denn kannste immer schön um mein Grab rum mitte Harke und immer schön Stiefmütterchen
ruffpflanzen und dir immer schön vonne Leute bei zugucken lassen. Wie de schön
um deinen armen Mann trauerst. Den de schön zu Tode gezetert hast. Nich,
Britta?«
»Ach, sei doch still, Hartmut!
Du weißt doch nicht, was du redest, weißt du doch schon lange nicht mehr.
Schlimmer als deine Mutter. Ich weiß nicht, was mit dir los ist neuerdings.
Aber weißt du was: Ich wills auch gar nicht wissen! Intressiert mich nicht.
Nicht die Bohne. Sind
vielleicht deine Wechseljahre. Solls ja bei Männern auch geben, hab ich neulich
erst gelesen ...«
»Kümmer du dich man bloß um
deine eigenen >Wechseljahre< und deine >Tage< und deine
>Orangenhaut< und was de dir sonst noch alles ranliest. Deine
>Darmflora »Hartmut...«
»Wird einem ja übel bei!«
»Ach, leck mich doch am ...
Allerwertesten!«
»Ha, das hättste wohl gerne,
wa, Allerwerteste! Aber echt, Britta, warst auch schon ma origineller. Ich sag
bloß: verlängerter Rückend Ha! Als ob de nich n Arsch hast wie alle andern
auch!«
»Ja genau, Hartmut. Hab ich. N
Arsch, der sich nicht traut, seinem Vater n paar Blumen aufs Grab zu stellen!«
»Mann, krieg dich ein! Ich geh
ja schon. Herrgott nochmal!«
Sterbetag! Hab ich nie
kapiert. Aber Mutter auch immer mit ihrem ewigen Friedhofsbrimborium. »Deine
Oma«, »dein Opa«, »meine Mutter«, »meine Schwester«, »deine Tante«, »meine
Tante«, »die Cousine von meim Vater« und was weiß ich nicht noch alles für
Schwippschwager und Neffcousins! Die ist doch rein besessen davon. Scheint aber
auch sone Weiberkrankheit zu sein. Da denkste, du hast mal n ganz normalen Tag,
alles erledigt, musst an nix denken, ne, kannst im Prinzip machen, was du
willst, machst den Fernseher an, machst dir n Bierchen auf, zack, da steht
garantiert Mutter inne Tür: »Hartmut, du denkst doch da an, dat Opa heut...«
Dat der olle Schorschki da vor siebenundweißnich Jahren den Geist aufgegeben
hat, was ihr Polacken-Schwiegervater gewesen ist. Als ob das nu nix Wichtigeres
im Leben gibt, als wann einer gestorben ist. Als ob er damit nu irgendne
Leistung oder so vollbracht hätte, wo man ihm zu gratuliert. Wie beim
Geburtstag. Genauson Scheiß im Prinzip. Du wirst nu mal irgendwann geboren,
kannste dich ja gar nicht gegen wehren, sozusagen, musste auch gar nix für tun.
Ich versteh nicht, was dadran nu so Besondres sein soll, an dem Tag, mein ich,
dass man den nu permanent feiern muss jedes Jahr.
»Gefeiert wird nich mehr«, hab
ich zu Britta gesagt. Da war die auch sofort einverstanden mit.
»Bleibt ja sowieso immer alles
an mir hängen«, hat sie gesagt. Bisschen bequem ist sie nämlich auch, mal so
unter uns gesagt. Das hatt ich gleich gemerkt damals.
»Wir schenken uns nix mehr.«
Da hat sie denn erst n
bisschen blöd geguckt. Weil, da hat sie natürlich gleich an sich gedacht, und
dass es nu Ebbe ist mit den kleinen roten Pappschachteln von U hren - S chmuck - M eyer und den sauteuren Dingern ausm
Wäscheladen, wo du dafür bezahlst, dass möglichst wenig dran ist. Na ja, hatt
ich ja auch immer selber was von, hab ich ja extra so ausgesucht. Und wenn sie
das denn ausgepackt hat... Nie vor den Kindern. »Hartmut!«, hat sie dann
gesagt, und ich hab gegrinst. »Da werd ich das wohl gleich mal anprobiern«, hat
sie gesagt und ist damit ins Schlafzimmer, und nach ner Weile hat sie immer
gerufen: »Hartmut, kommst du mal?«, und dann haben wir erst mal die Tür
abgeschlossen.
»Na, ne Blume kriegste schon
noch!«, hab ich gesagt. Dann hat sie wahrscheinlich kapiert, dass sie mir nu
auch nix mehr schenken muss.
»Na, von mir aus.«
Da war dann endlich mal
Schluss mit dem ganzen Getue. Dieser ganze Plunder, wo man noch so tun muss, als
wenn man sich dazu freut, und dann stopfste das nachher doch bloß in die hinterste
Ecke vom Schrank. Geschenke! Ich weiß gar nicht, was das soll. In dieser
Familie hat jedenfalls noch keiner einem irgendwas geschenkt, worüber der sich
wirklich gefreut hätte. Hab ich nie erlebt. So was gibts auch gar nicht. Früher
gabs nix, und heute willste nix mehr. Das Einzige - na ja, das warn die
Platten. Hätt das damals einer geahnt, dass man das alles mal übern Jordan
wirft!
Ella hat mir mal n
Taschenmesser geschenkt. Hab ich mich gefreut, ehrlich. Als
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