Zander, Judith
oft da, aber ich hab mich immer noch
nicht getraut, obwohl ich ja gesehen hab, dass die nix anbrennen lässt. Fast
immer mit nem andern Macker. Einmal mit so nem Schnösel, da dacht ich, na,
jetzt pass ma auf, Söhnchen, und forder sie zum Tanzen auf. Das war das erste
Mal, ich hatt auch schon bisschen was intus. Da pflanzt der sich doch gleich
vor mir auf und bietet mir Prügel an! Das halbe Hemd, ich wollt mich ja
totlachen, und bloß, weil er größer war als ich. Ich hab mich ja sonst
rausgehalten aus Kloppereien, aber da hat mir das gereicht, und ich hätt den
fertiggemacht, allein schon durch mehr Willensstärke. Aber Britta ist
dazwischen und hat zu ihm gesagt, »nu lass ma, Bertram«. Bertram! Erst war ich
ja beleidigt: dass die offenbar dachte, der könnt mich fertigmachen. Aber dann war
ich doch ganz froh. Erstens, dass ich nicht mitm Veilchen zurück in die Kaserne
muss, und zweitens, weil Britta anscheinend wirklich Angst um mich hatte. Das
war doch n gutes Zeichen.
Aber musste doch erst
Greifswald kommen. Und da sagt sie mir eines Tages so Knall auf Fall: »Hartmut,
ich krieg n Kind.« Na, da war ich baff.
»Von mir?«, frag ich. Hätt ich
mir mal klemmen sollen. Da fing sie nämlich gleich an zu heulen: Na ja, von wem
denn sonst, und was ich denn eigentlich von ihr denke, und dass ich wohl auch
alles glauben würd, was ich so hör, was die alle erzähln, na und so.
»Ach Quatsch«, sag ich. Bloß,
damit sie sich beruhigt. Ich mein, klar, wird wohl schon was drangewesen sein.
Was die so rumerzählt haben von der Flotten Britta. Aber wie sie mich so
anguckte, da hab ich ihr geglaubt. Da hab ich auf einmal gewusst, dass das mein
Kind ist. Mann! Ich war fast in Ohnmacht gefalln.
»Macht doch nix«, hab ich
gesagt. »Denn heiraten wir eben.«
»Im Ernst?«
»Klaro!«
»Na gut.«
Und da war ich bald noch mal
hintenübergefallen! Die Flotte Britta wird die Frau vom kleinen Hartmut, vom
»Polen«, der sonst nie eine abgekriegt hat oder bloß immer die Hässliche.
Mutter hat denn zwei Wochen nicht mit mir gesprochen. Seitdem war ich unten
durch bei ihr. Aber war mir wurscht. Und hätt mir da einer erzählt, dass es nu
doch so was wie Schicksal gibt, einen, der da oben sitzt und alles lenkt, da
hätt ich dem das glatt geglaubt.
Scheiße, wer ist das denn
jetzt? Na, ich hau jedenfalls ab. Aber mal gucken, wo der hin will. Könnt einer
von den Jugendlichen sein, die treiben sich hier doch abends manchmal rum. Möcht
nicht wissen, was die hier anstellen. Einmal warn zwei Grabsteine umgekippt.
Na ja, kann auch so passiert sein. Und denn warn mal von paar Blumen die Koppe ab, standen denn bloß noch die
Stengel inner Vase. Aber die Hosenscheißer fangen auch schon an. Die eine hier,
die Lütte, wie heißt die noch gleich, die von den Schmuhls, na, die sind
sowieso nicht ganz richtig. Die hat eine Zeit lang Sonja Plötz immer Blumen
geschenkt, die hing der egaleweg am Rockzipfel und kam immer mit so komischen
Blumen an, und Sonja hat sich schon gewundert, bis sich denn rausstellte, dass
die die hier vom Friedhof hatte. Hat die einfach vonne Gräber runtergemopst.
Die hängt auch nur noch hier rum, seit ihr Opa gestorben ist. »Ich geh ma mein
Opa besuchen«, sagt die und geht denn hierher.
»Dein Opa is tot«, hab ich mal
zu ihr gesagt.
»Ja, der liegt da jetz«, hat
sie gesagt und zum Friedhof hingezeigt und mich angegrinst.
Mann, der macht sich da jetzt
an dem Grab von der ollen Anna zu schaffen! Ruppt die ganzen Kränze da runter!
»Ey!«
Ha, isser ganz schön
zusammengezuckt. Hätt der nicht mit gerechnet. »'n Abend, Hartmut.«
Scheiße, Mann! Das's ja
Ingrid! Hab die gar nicht erkannt, so von hinten, mit der komischen Mütze. Was
rennt'n die hier rum?
»Ach, du bist das - Ingrid.
Ich dacht... Wird ja schon dunkel. Ich dacht nich, dass noch einer ...«
»Dacht ich auch nicht.«
»Achso.«
»Was, achso?«
Die sieht noch aus wie früher.
Bisschen besser vielleicht sogar. Na ja, so von Dichtem - sieht man schon, dass
sie kein junges Mädchen mehr ist. Aber trotzdem. Wie früher. Die blauen Augen,
und wie sie einen anguckt damit. Na ja, damals hat sie mich ja nicht so oft
angeguckt.
»Na, du wolltst wohl nich ...
Wegen den Leuten ...«
»Ach, die Leute. Ja.«
Und nu? Da steht sie nu und
guckt mich an. Als würd sie auf was warten. Dass ich was sage? Aber was denn?
Vielleicht weiß sie längst Bescheid. Nein! Kann sie ja nicht. Dass ich - dass ich Bescheid weiß.
»Mein herzliches
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