Zarias Geheimnis
sagen.«
»Warum?«, brauste ich auf und hob ab. »Damit du dich mit Blutstein über mich lustig machen kannst?«
»Zaria!«
Ich musste hier raus. Ich riss die Tür auf und stürmte nach draußen.
»Ich will dir helfen!«, rief Beryl mir hinterher, als ich mich in die Lüfte erhob.
Ich tat so, als hörte ich sie nicht, und stieg in den Himmel auf.
Aus der Höhe konnte ich fast ganz Galena übersehen: die Metalldächer der Gebäude, die so grell leuchteten, dass mir die Augen wehtaten; die Dächer, die mit auf Hochglanz polierten Edelsteinen bedeckt waren; Eltern mit Babys und Kleinkindern in farbenfrohen Anzügen; Kinder auf dem Weg in die Schule, die in kleinen Gruppen auf und ab hüpften; die große Pforte mit ihren gewaltigen Säulen; die rauschenden Wasser der Galena-Fälle … und ich konnte den Felsblock sehen, der das Portal zur Erde markierte, ein kleiner Sandsteinklecks inmitten eines Meers aus orangen und gelben Blumen.
Das Zinnien-Portal. So würde ich es nennen.
Unter mir erblickte ich Leonas silberne Flügel und nicht weit von ihr Andalonus’ blaues Haar und Meteors gestreiftes Haupt. Ich holte sie im Sturzflug ein.
Leona grinste mich an. »Wie ich sehe, bist du wieder frei. Hast du dich selbst befreit, oder war es die Danburit?«
Ich erinnerte mich an das Versprechen, das ich Beryl gegeben hatte, und lächelte nur nichtssagend.
»Onkel Boris ist gestern Abend gleich herbeigeeilt, um mich zu befreien«, sagte sie. »Die Menge vor unserem Haus hat ihn erst durchgelassen, nachdem er allen zu verstehen gegeben hat, dass er der Onkel der berühmten violetten Elfe ist. Er war so stolz, dass es ihm völlig egal war, dass ich mich bereits selbst befreit hatte.«
»Menge?«, fragte ich und warf einen Blick über meine Schulter aus Angst, wir würden schon wieder belagert. »Sie sind dir nach Hause gefolgt?«
Sie nickte. »Es hat mit einer langen Feier geendet.« Leona kicherte und holte ihren Zauberstab hervor. »Schau, ich habe Filigran hinzugefügt.« Sie hob ihn hoch, damit ich die feinen Verzierungen aus Gold und Silber bewundern konnte, die sich um den Griff zogen.
»Das ist wunderschön.«
»Zeig uns deinen.«
»Da gibt’s nichts zu sehen.«
Leona wirbelte in der Luft herum. »Zeig her!«
»Ihr werdet bei seinem Anblick erblinden«, wandte ich ein.
Andalonus lachte, aber Leona und Meteor drängten sich um mich. »Zeig her!«
Ich holte meinen schlichten, unveränderten schwarzen Stift hervor. Andalonus prustete los.
»Alle werden glauben, dass du nicht genügend Radia-Einheiten hast«, rüffelte mich Leona. »So wird man dir nie den Respekt erweisen, der dir als violetter Elfe zusteht.«
»Warum sollte man mir dafür Respekt erweisen, dass ich Glück hatte?«, rief ich. »Und wenn mein Zauberstab so schlicht bleibt, erfährt niemand, dass ich violett bin.«
»Das wissen sowieso schon alle«, rief mir Meteor hinterher.
»Dann können sie es auch alle wieder vergessen!« Und damit flog ich, so schnell ich konnte, davon, weg von meinen Freunden.
An diesem Tag stellte uns Beryl in der Schule unsere Magie-Nachweise aus und ermahnte uns, sie gut aufzuheben, damit wir sie unseren Mentoren zeigen konnten. Als ich meinen entgegennahm, betrachtete ich Oberons Siegel über der Inschrift: Zaria Turmalin, eingetragene Magie-Stufe 100, volles Violett.
Dann überreichte Blutstein allen, die im gelben Bereich oder darüber waren, mit viel Getue die Schriftrollen mit den Namen ihrer Mentoren. Wir waren nicht viele: Rumpel Granat, Tuck Magnetit, Portia Peridot, Leona, Meteor und ich. Blutstein erinnerte uns daran, die Namen unserer Mentoren geheim zu halten, und warf mir dabei einen strengen Blick zu. Mir war nicht ganz klar, warum er mich im Besonderen daran erinnern musste. Ich konnte ein Geheimnis für mich behalten.
Als er mir die Schriftrolle mit dem Namen meines Mentors gab, lächelte er tatsächlich. Was brachte Blutstein zum Lächeln?
Ich wartete, bis er sich Portia zuwandte, bevor ich die Schriftrolle las. Magie-Mentor für Zaria Turmalin: Lily Morganit. Finde dich in Oberon-Stadt bei den Morganit-Türmen Nummer 3750 ein.
Lily Morganit? War das nicht die Elfe, die unseren Besuch auf der Erde gemeldet hatte? Kein Wunder, dass Blutstein gelächelt hatte. Hatten sich er und Beryl abgesprochen, mir absichtlich jemanden zuzuweisen, der mir nicht freundlich gesinnt war? Hofften sie, mich so von meiner Erdbesessenheit zu kurieren?
Blutstein setzte zu seiner Abschiedsrede an die Klasse an.
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