Zarias Geheimnis
weinen. Aber ich tat es nicht. Stattdessen schluckte ich den Klumpen in meiner Kehle herunter.
»Steh auf, Meteor«, forderte ich ihn auf.
Er tat es. »Zaria, in dem Tee, den uns Beryl angeboten hat, befanden sich mehrere Schichten. Ich bin nicht mehr verzaubert. Es tut mir leid. Ich hätte nie gedacht, dass mich ein Zauber dazu bringen könnte …« Er brach ab.
»Mich zu hassen?«, fragte ich leise.
Er gab einen weiteren Stoßseufzer von sich. »Als ich zu meinem Mentor unterwegs war, habe ich dich noch für eine Lügnerin und Duckmäuserin gehalten. Und als ich ihn nach geschichteten Zaubern gefragt habe, hatte ich das Gefühl, irgendetwas hätte meinen Geist fest im Griff. Es war, als versuchte ich im Schlaf zu reden.«
Ich erinnerte mich an den klebrigen Dunstschleier, der an dem Tag, als ich aus Lilys Wohnung floh, auf mir gelegen hatte, und fühlte mit ihm.
Meteor senkte die Stimme. »Aber als ich die geschichteten Zauber gefunden und rückgängig gemacht habe, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich hoffe, du musst nie geschichtete Magie in dir offen legen, Zaria. Man erleidet dabei Höllenqualen.« Er klang angewidert. »Es tut mir so leid.«
Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Aber wenn es dir passieren kann, kann es jedem von uns passieren.« Ich packte ihn am Arm. »Wenn sich die geschichtete Magie offenbart, weiß man dann, wer sie verursacht hat?«
»Ja«, erwiderte er. »Lily Morganit hat hinter den Zaubern gesteckt, mit denen Beryls Tee versetzt war.«
Jetzt wusste ich es mit Gewissheit. »Hat Lily auch von dir verlangt, uns auszuspionieren?«
Meteor hielt inne. »Niemand hat von mir verlangt, euch auszuspionieren. Ich dachte, du hättest mich verzaubert, und bin hierher gekommen, weil ich es dir heimzahlen wollte. Ich wusste, dass es dein Lieblingsplatz ist«, erklärte er reumütig. »Als du und Leona dann angefangen habt, euch zu unterhalten, dachte ich, dass ich mich am besten rächen könnte, wenn ich euch belausche und eure Geheimnisse herausfinde.« Er ließ den Kopf hängen. »Bitte vergib mir. Ich war nicht ich selbst.«
»Natürlich vergebe ich dir. Wenn du uns nicht belauscht hättest, würdest du immer noch unter einem geschichteten Zauber stehen.« Ich zwang mich zu einem Lächeln, aber eine große Unruhe ergriff mein Herz. »Wie haben sie Leona gefasst?«
»Mit einer Falle in der Pforte von Galena.«
Ich fragte mich, warum Leona versucht hatte, durch die Pforte zu gehen, wenn sie mich eigentlich am Zinnien-Portal treffen sollte.
»Ihr Zauberstab hat laut genug geschrillt, um ganz Elfenland zu wecken, bis man ihn in ein Eisenkästchen gelegt hat«, fuhr Meteor fort. »Ich habe gehört, dass er irgendwo in Oberon-Stadt von Zwergen bewacht wird.«
»Und Leona?«
Meteor blickte starr auf seine Hände. »Ich glaube, sie steht unter einem geschichteten Schlafzauber. Nachdem sie gefangen wurde, haben sie sie sofort in die Eisernen Lande gebracht.«
»In die Kobold-Kolonie?« Der Gedanke, dass man Leona von ihrem Zauberstab getrennt und an einem Ort eingesperrt hatte, an dem Magie wirkungslos war, war mir unerträglich.
»Zaria, sobald sie aufwacht, werden sie sie dazu bringen, alles preiszugeben, was sie weiß. Alles!«
»Nein«, sagte ich. »Leona würde niemandem auch nur ein Sterbenswort ohne einen Zwangszauber sagen, und Zauber haben in den Eisernen Landen keine Wirkung.« Meine Flügel zitterten. »Warum hat man sie dorthin gebracht?«
Meteors Stimme war tieftraurig. »Leona hat mächtige Freunde.« Er verneigte sich kurz vor mir. »Vielleicht wollten sie sichergehen, dass ihr niemand mit Magie helfen kann. Und sie verfügt über so viel eigene Magie, dass sie den Mut darüber verlieren könnte, in den Eisernen Landen gefangen zu sein.«
Daran wollte ich gar nicht denken. Konnte ich nicht denken. Wenn ich es tat, würde ich mir nur die Flügel über den Kopf ziehen und in Tränen ausbrechen.
»Wir wollten das Portal versiegeln«, sagte ich. »Sie hatte große Angst davor, dass es jemand finden könnte. Sie wollte ihre Mutter fragen, wie man es macht.« Ich starrte auf den massigen Sandsteinfelsblock, der nur wenige Flügelspannweiten entfernt zwischen den im Schatten liegenden Zinnien lag.
»Du kannst es immer noch versiegeln«, erwiderte Meteor. »Ich weiß, wie.«
Sobald Meteor von Leonas Gefangennahme erfahren hatte, hatte er Doreen Blutstein aufgesucht. Er überzeugte sie, ihm alles über das Portal in Galena zu erzählen: wo es war und wie man
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