Zauber der Schlange
Legionen werden uns nicht dorthin folgen.«
»Was sollte sie daran hindern?« fragte Garion.
»Der Vertrag mit den Dryaden«, antwortete sie. »Weißt du denn überhaupt nichts?«
Garion nahm ihr das sehr übel.
»Es ist niemand da«, berichtete Hettar Meister Wolf. »Wir können jetzt gehen oder warten, bis es dunkel ist.«
»Dann sollten wir jetzt schnell reiten«, sagte Wolf. »Ich bin es leid, mich vor Patrouillen zu verstecken.« Sie galoppierten den Hügel hinab auf den vor ihnen liegenden Wald zu.
Hier schien es nicht die übliche Randzone mit Gebüsch zu geben, die gewöhnlich den Übergang von offenem Land zum Wald markierte. Als Wolf sie unter die Bäume am Waldrand führte, war die Veränderung so abrupt, als wären sie plötzlich in einem Gebäude. Der Wald selbst war unglaublich alt. Die großen Eichen waren so mächtig, daß der Himmel so gut wie nie zu sehen war. Der Waldboden war moosig und kühl, und es gab nur wenig Unterholz. Garion kam es so vor, als wären sie alle winzig unter den riesigen Bäumen, und etwas eigenartig Verschwiegenes lag über dem Wald. Die Luft war sehr still; man hörte nur das Summen von Insekten und, hoch oben, Vogelgezwitscher.
»Seltsam«, sagte Durnik und sah sich um. »Ich sehe überhaupt keine Spuren von Holzfällern.«
»Holzfäller?« Ce’Nedra schnappte nach Luft. »Hier? Sie würden es nicht wagen, in diesen Wald zu kommen.«
»Der Wald ist unantastbar, Durnik«, erklärte Meister Wolf. »Die Borune-Familie hat einen Vertrag mit den Dryaden geschlossen. Seit mehr als dreitausend Jahren hat niemand mehr Hand an diese Bäume gelegt.«
»Ein seltsamer Ort«, meinte Mandorallen und blickte unbehaglich um sich. »Mich dünkt, ich spüre hier eine Gegenwart, die uns nicht allzu freundlich gesonnen ist.«
»Der Wald lebt«, sagte Ce’Nedra. »Er mag keine Fremden – aber keine Sorge, Mandorallen, solange du bei mir bist, bist du in Sicherheit.«
»Glaubst du wirklich, daß die Patrouillen uns nicht hierher folgen werden?« fragte Durnik Meister Wolf. »Jeebers wußte schließlich, daß wir hierher kommen würden, und er hat es sicherlich den Borunern erzählt.«
»Die Boruner würden ihren Vertrag mit den Dryaden nicht brechen«, beruhigte ihn Wolf. »Um keinen Preis.«
»Ich habe noch nie von einem Vertrag gehört, den ein Tolnedrer nicht umgehen würde, wenn es zu seinem Vorteil gereichte«, meinte Silk skeptisch.
»Dieser hier ist etwas anderes«, erzählte Wolf. »Die Dryaden haben eine ihrer Prinzessinen einem jungen Edelmann aus dem Hause Borune zur Frau gegeben. Sie wurde die Mutter des ersten Kaisers der Borune-Dynastie. Das Glück der Boruner ist mit diesem Vertrag verknüpft. Sie werden ihn nicht aufs Spiel setzen – egal aus welchem Grund.«
»Was genau ist eine Dryade?« fragte Garion. Er wollte reden, um die bedrückende, lauschende Stille, die von einer Gegenwart, einem Bewußtsein im Wald kam, zu brechen.
»Sie sind eine kleine Gruppe«, antwortete Wolf. »Recht sanft. Ich habe sie immer gern gemocht. Sie sind natürlich nicht menschlich, aber das ist nicht so wichtig.«
»Ich bin eine Dryade«, sagte Ce’Nedra stolz. Garion starrte sie an. »Genaugenommen hat sie recht«, sagte Wolf. »Das Dryadenblut scheint bei den weiblichen Mitgliedern des Borune Geschlechts immer zu dominieren. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die Familie den Vertrag in Ehren hält – all die Frauen und Mütter, die ihre Sachen nehmen und gehen würden, falls er je gebrochen würde.«
»Sie sieht aber menschlich aus«, wandte Garion ein, der die Prinzessin noch immer anstarrte.
»Die Dryaden sind mit den Menschen so nahe verwandt, daß die Unterschiede kaum auffallen«, erklärte Wolf. »Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, daß sie nicht wie die anderen Ungeheuer verrückt geworden sind, als Torak die Welt spaltete.«
»Ungeheuer!« protestierte Ce’Nedra laut.
»Verzeihung, Prinzessin«, entschuldigte sich Wolf. »Das ist ein Ausdruck der Ulgos für die Nicht-Menschen, die den Gorim von Prolgu unterstützten, als er mit dem Gott Ul zusammentraf.«
»Sehe ich in deinen Augen aus wie ein Ungeheuer?« fragte sie und warf zornig den Kopf nach hinten.
»Vielleicht eine schlechte Wortwahl«, murmelte Wolf. »Entschuldigung.«
»Ungeheuer, also wirklich!« schnaubte Ce’Nedra.
Wolf zuckte die Achseln. »Nicht weit vor uns ist ein Fluß, wenn ich mich recht erinnere. Dort werden wir warten, bis Königin Xantha Nachricht von unserer Ankunft
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